Quantcast
Channel: Cloudpharming
Viewing all 56 articles
Browse latest View live

Randnotiz: Es nervt.

$
0
0
Ich habe mich ja bereits zum Brüderle-Vorfall geäußert. Ich habe auch kundgetan, daß ich glaube, daß es viele Millionen Frauen gibt, denen es bedeutend schlechter geht als mir. Oder der betroffenen Journalistin. Dennoch glaube ich, daß man sich aufregen darf, wenn man als Frau wieder und wieder auf sein Aussehen reduziert wird, obwohl man von sich annimmt, daß der eigene Horizont das Spektrum der Lieblingsnagellackfarben deutlich überschreitet.

Gestern habe ich mich mit einer Skeptikerin darüber unterhalten, wieso so wenige Frauen hierzulande auf skeptischen und atheistischen Tagungen sprechen. Ich glaube, ein Grund dafür ist, daß es schwierig ist, als junge Frau vor einem größtenteils männlichen Publikum zu stehen und auch immer ein wenig zu erwarten, daß die eigene Optik eine überproportionale Rolle spielt. Daß man sich länger als fünf Minuten mit der Frage beschäftigen muß, was man zu einer solchen Veranstaltung anziehen soll, um nicht zu aufreizend herüberzukommen, um ernst genommen zu werden, ist traurig. Denn, wie schon an anderer Stelle erwähnt: Emanzipation sollte durchaus so weit gehen können, daß man hübsch aussehen und dennoch etwas zu sagen haben kann, ohne daß die Seriosität darunter leidet.

Geärgert habe ich mich deswegen auch über folgendes: die GWUP veröffentlichte auf ihrer Facebook-Seite die Nachricht, daß eine Zusammenfassung meines im Skeptiker erschienenen Artikels über Homöopathie, Anthroposophie und Hebammen nun auch im GWUP-Blog zu lesen sei. Der einzige Kommentar, der unter dieser Ankündigung stand, ist folgender:


Nein, ich freue mich nicht darüber, falls dieser Einwand nun kommen sollte (auch die Wortwahl, also "heiß", finde ich ziemlich unmöglich, unterscheidet es sich doch deutlich von einem simplen "gut aussehen" oder "hübsch sein"). Es ärgert mich, daß dies die einzige Quintessenz meiner Arbeit sein soll, zumindest in den Augen dieses einen Users. Ich kann mir schwerlich einen ähnlich aufgebauten Kommentar unter dem Artikel eines nicht gänzlich unansehnlichen männlichen Skeptikers/Bloggers/... vorstellen, der von einer UserIN verfasst wurde. Aber vielleicht liegt das nur an mir...

Nun, ich weiß, daß das "First World Problems" sind. Und ich weiß auch, daß ich sehr viel Resonanz, von Frauen wie von Männern, auf das tatsächlich von mir Erarbeitete und Geschriebene bekommen habe, was mich sehr freut(e). Aber dieser Kommentar, gestern abend, der hat mich einfach... genervt.

Ich war im Radio.

$
0
0
Liebe Leser und damit Freunde der guten Unterhaltung,

im Rahmen der Nachberichterstattung zur GWUP-Tagung war ich am Montag, 13.05.2013, abends im Radio KölnCampus zu hören. Allen, die es unverzeihlicherweise verpaßt haben, stelle ich hier gern den Mitschnitt als youtube-Link zur Verfüung:



Eine ausführlichere Berichterstattung zur Konferenz folgt in Kürze; wer nicht mehr warten kann, sollte schonmal bei Cornelius nachlesen.

So war die Skepkon - für mich

$
0
0
Vergangenes Wochenende fand in Köln die Konferenz der GWUP statt, gemeinhin und auch im Folgenden "Skepkon" genannt. Wer mein Blog verfolgt (oder da war), wird wissen, daß ich am dritten und letzten der Konferenztage meinen Vortrag "Globuli und Pharmazie - eine Liebesgeschichte?" gehalten habe. Ich möchte gern schildern, wie ich diese drei sehr spannenden Tage erlebt habe - dabei werde ich nicht auf alle Vorträge eingehen, zumal ich unibedingt auch gar nicht alle verfolgen konnte.

Los ging es am Donnerstag, dem 9.05. mit dem Publikumstag. Dieser diente dazu, auch Nicht-Skeptiker über die Arbeit der GWUP aufzuklären und soweit ich das beurteilen kann, haben die Referenten diese Aufgabe hervorragend erfüllt. Alexa und Alexander von Hoaxilla führten auf gewohnt charismatische Weise in die Veranstaltung ein und zeigten im Rahmen ihrer Präsentation das breit gefächerte "Aufgabenfeld" der Skeptiker auf:: gerade weil der Fokus der diesjährigen Konferenz auf Gesundheitsthemen lag, stellte der Vortrag zum Thema "Düstere Legenden", also Urban Legends und ähnlichem, einen guten und notwendigen Gegenpol dar. Auch der Vortrag von Sebastian Bartoscheküber die Arbeit von Ghosthuntern in Deutschland trug dazu bei und war überdies noch sehr interessant (und nein, das beste daran war nicht sein Striptease, auch wenn er das offenbar vermutete). Zum ersten Mal sah ich auch Mark Benecke, der auf eine sehr unterhaltsame Art Einblicke in seine Arbeit gewährte und auch sonst durch und durch ein Sympath ist. Mit ihm, Sebastian, den Hoaxillas, Sven Rudloff und Herrn Fnordwind sowie Cornelius Courts wurde abschließend der Abend in einer Kneipe verbracht. War sehr nett und ich fühle mich wirklich bereichert von meinen vielen neuen Bekanntschaften.

Vom Freitag verpasste ich den Großteil, da das Synthese-Labor rief (soweit ich mich erinnere, habe ich 4-Methoxyacetophenon gekocht). Ich kam jedoch rechtzeitig zum sehr interessanten Vortrag von Christian Weymayr, der ja mein "Lieblings"thema Homöopathie mit mir teilt. Er referierte über den Einfluss und die "Wirksamkeit" seines Buches "Die Homöopathie-Lüge", das ich im Übrigen nur empfehlen kann. "Kaum wirksam" lautete seine Konklusion, was schade ist - ich persönlich fand aber den zweiten Teil seines Vortrags interessanter und denke seitdem intensiv darüber nach, wie ich zum von ihm vorgestellten Konzept der "Scientabilität" stehe. Ich gebe zu, ein erster Impuls war, dem nicht zuzustimmen, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr erschließt es sich mir. In Kürze: Indem man die Homöopathie auch weiterhin in klinischen Studien testet, bietet man ihr eine Plattform inmitten seriöser Wissenschaft und verleiht ihr somit einen wissenschaftlichen Anstrich. Zudem ist es bei hunderten Studien statistisch einfach sehr wahrscheinlich, daß zwei oder drei mit signifikant gutem Ergebnis für Homöopathika dabei herauskommen (was dann ein statistischer Effekt und keiner des Mittels ist). Den nutzt aber die Homöo-Lobby, um ihre Mittelchen zu bewerben (auch wenn es sich hier, das sollte man sich klar machen, um Benefits handelt, die sich knapp über Placebo befinden, also noch meilenweit von "richtigen" Medikamenten entfernt liegen).
Klinische Studien sind also das "falsche Werkzeug", da zu fehleranfällig, um die Plausibilität homöopathischer Wirkmechanismen zu testen - viel wichtiger wäre Grundlagenforschung, die zeigt, daß so etwas überhaupt möglich sein kann; und dazu gehört, daß die Wirkmechanismen nicht allen Naturgesetzen widersprechen, die wir kennen (s. auch Ockhams Rasiermesser). Er plädiert deswegen dafür, keine weiteren klinischen Studien mehr vorzunehmen, in welchen Globuli getestet werden.
Ich halte das grundsätzlich für richtig. Natürlich denke ich, daß ich bei ausreichender Evidenz in der Lage wäre, einen Paradigmenwechsel anzuerkennen - aber dieser Fall ist nun mal äußert unwahrscheinlich. Und ich empfinde es auch nur zum Teil als Verschwendung, hunderte RCTs zu diesem Themenkomplex durchgeführt zu wissen - denn die überwältigende Mehrheit der Evidenz zeigt genau das, was sie zeigen soll; daß nichts wirkt, weil es nicht wirken kann. Mein Fazit ist aber dasselbe wie das von Herrn Weymayr: es sollte keine weiteren klinischen Studien mehr zu diesem Thema geben.

Der Samstag begann mit meinem eigenen Vortrag.


Es hat mir große Freude bereitet, vor so vielen Menschen zu sprechen: trotz der Uhrzeit (9 Uhr morgens) war der Saal beinahe voll. Worüber ich gesprochen habe, möchte ich hier nicht ausführlich darlegen: der Vortrag wird als Artikel sowohl im Skeptiker, als auch bei BlooDNAcid, als auch hier im Blog in Kürze (Anfang Juni) erscheinen. Offenbar waren einige Menschen erschrocken über das Ausmaß der Esoterikkontamination in meinem Studium. Das hat mir nur wieder demonstriert, wie abgebrüht ich diesbezüglich mittlerweile bin (und wie wenig diese Problematik medial aufgearbeitet wird). Nach meinem Vortrag bekam ich unglaublich viel positives Feedback, ein paar Worte der Kritik waren auch dabei. "Selbst beweihräuchert" habe ich mich und ich sei in meiner Eigenschaft als Irrationalitätsfeindin "überheblich". Das finde ich schade, versuche ich doch genau solche Dinge zu vermeiden. Das waren aber nur zwei Stimmen von dutzenden, von welchen die meisten positiver Natur waren.
Leider kam die Resonanz fast ausschließlich von Männern, was mich etwas irritiert hat, zumal das Publikum einen hohen Frauenanteil aufwies. Ich weiß nicht genau, wieso das so war. Vielleicht wirkte ich überheblich, vielleicht spielte das unschöne Phänomen der "Stutenbissigkeit" eine Rolle - oder vielleicht sind viele Frauen genauso sexistisch wie Männer und denken, daß eine Frau in einem netten Kleidchen nicht gut vortragen kann. Man weiß es nicht.

Nach meinem Vortrag wurde ich übrigens noch zur diskordianischen Päpstin ernannt (und heilig gesprochen), da während meines Vortrags die kaputt geglaubte On-Taste eines Mobiltelephons auf wundersame Weise ihren Dienst wieder aufnahm. Das macht mich schon ein wenig stolz.

Auf meine Präsentation folgten noch einige weitere, zum Teil ausgezeichnete Vorträge. Ich möchte aber davon absehen, sie zusammenzufassen, da interessierte Leser das an einigen anderen Stellen bereits tun können und dieser Artikel auch kein Roman werden soll. Stattdessen möchte ich mich gern nochmal an die zahlreichen Menschen wenden, die sich, sowohl nach dieser Konferenz als auch nach meinem letzten Artikel im Skeptiker in Form von Kommentaren, Mails oder anderen Nachrichten gemeldet und mir Feedback gegeben haben:
Vielen Dank für allen Zuspruch, alles Schulterklopfen, alles Lob - es stärkt mir den Rücken und ich freue mich über jedes dieser Worte, auch wenn ich dem oft nicht adäquat Ausdruck verleihen kann. Danke auch für Kritik und Anregungen - ich denke viel darüber nach und setze alles, was mir sinnvoll erscheint (und da versuche ich, ehrlich zu mir zu sein), gern um.

Und jetzt bin ich auch noch ins Twittergeschäft (@Claudia_Utopia) eingestiegen. Ich fand es großartig, daß die Skepkon-Besucher so fleißig getwittert haben. Hier ein kleiner Eindruck von der äußerst erfreulichen Twitter-Resonanz:


Mein Fazit: ein großartiges Wochenende mit vielen, vielen netten Menschen. Es gibt ein paar kleinere Probleme (so waren die weiblichen Referentinnen leider deutlich in der Unterzahl), aber alles in allem bin ich sehr angetan und bin und war dankbar für die Chance, dort sprechen zu dürfen.

OC-Lyrik

$
0
0
Markownikow, der alte Tor;
Er war ein Mann des Überschuß':
So kommt der Wasserstoff des Chlor
(Nicht aber das Proton der Fluß-

Säure) dorthin, wo doch schon
Zwei and're ihrer Art verweilen -
Ans hungrige Carbeniumion
Will liebestoll das Anion eilen!

Elektrophil, zu Düst'ren, tief
Greifen zwei der Säuren an
(Fluor nicht, es ist zu explosiv.
Und Iod nicht, weil es das nicht kann

Als Sklave seiner Lethargie).
Ach Welt, ach Mensch, ach Brom und Chlor:
Wir atmen, schauen, sind Chemie
Und doch so klug als wie zuvor.



- Claudia, 2013

Ein paar Ankündigungen

$
0
0
Hallo da draußen!

Es gibt ein paar Dinge, die Ihr Erdenbürger nicht verpassen solltet. Deswegen will ich Euch hiermit vorwarnen!

- Lest den nächsten Skeptiker! Er dürfte dieser Tage das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Darin findet sich eine gekürzte Version meines Vortrags zur Skeptikerkonferenz Anfang Mai in Köln. Vom Vortrag selbst habe ich auch einen Audiomitschnitt und gefilmt wurde ich auch; vielleicht kann ich das demnächst auch hier veröffentlichen. Für alle, die den Skeptiker nicht beziehen, wird der Artikel ab heute bei BlooD'N'Acid zu lesen sein; ich füge den Link später <hier> ein.

- Hört Euch Hoaxilla an! Nachdem Cornelius Courts vor kurzem schon eloquent seine Ansichten zur Religion kundgetan hat, wird kommendes Wochenende ein Podcast veröffentlicht, in welchem ich ein wenig über meinen Weleda-Besuch und Homöopathie allgemein erzähle. War ein spannendes Interview und hat großen Spaß gemacht!

- Kommt zu Skeptics in the Pub! Dort spricht Cornelius von BlooDNAcid zum Thema "Streitest Du noch oder argumentierst Du schon?" - jeder, der sich schonmal im Gespräch mit Esoterikern, Fundamentalisten oder einfach dem Partner geärgert oder verloren gefühlt hat, kann hier sicher etwas lernen. Neben der Kunst des Streitens soll es auch um Fehlschlüsse und Argumentationstaktiken gehen. Ich freue mich jedenfalls schon darauf!

Das war's eigentlich schon. Freue mich auf Feedback!

Ein Monat in Absurdistan

$
0
0
Ich bin wieder da!

Hallo Welt,

zunächst möchte ich mich bedanken für die vielen Mails und anders gearteten Nachrichten, die mich in den letzten Monaten erreicht haben. Ich war wegen dieser lästigen Nebensache (Pharmaziestudium) leider doch "etwas" eingespannt und konnte deswegen nicht auf alles in angebrachter Art und Weise antworten. Ich hoffe, das nachholen zu können, aber es wird alles noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, da ich momentan von früh bis spät in Absurdistan verweile:

Ich habe beschlossen, mein vierwöchiges Pflichtpraktikum nicht in irgendeiner gewöhnlichen Apotheke zu absolvieren, sondern in einer, die ihren Schwerpunkt bewußt im Gebiet der Alternativ"medizin" setzt. Eine veritable Eso-Apotheke! Dort arbeite ich seit gestern und werde das auch in den kommenden vier Wochen tun. Es wird, wenn alles nach Plan geht, jeden Sonntag eine Zusammenfassung der vorangegangenen Arbeitswoche geben.

Dennoch möchte ich gern ein paar erste Eindrücke wiedergeben...

"Frau Gr., ich habe mir überlegt, daß sie die erste Woche in der TCM-Abteilung absolvieren" - so wurde ich gestern früh begrüßt und wußte nicht recht, ob ich innerlich fluchen (wegen des Irrsinns) oder jubeln (wegen der Möglichkeit, über Irrsinn zu berichten) sollte; entschied mich aber zähneknirschend für zweiteres. Ich sollte nicht enttäuscht werden: die Tees, die ich bisher hergestellt habe, bestanden, nebst allerlei wirkungslosen Pflanzenteilen, aus so abenteuerlichen Zutaten wie gelatiniertem Hirschhorn oder Austernschalen (40 Minuten kochen lassen!); verordnet von Ärzten (nein, keine Heilpraktiker), Indikation war z.B. Kinderwunsch.Mehr Details zu verrückten Zutaten, der Einstellung der Mitarbeiter und abenteuerlichen Gesprächen werde ich in die Zusammenfassung packen.

Außerdem werde ich ab jetzt jeden Tee mit chinesischen Flüchen besprechen und die Reklamationen wegen mangelnder oder umgekehrter Wirksamkeit abwarten.

Freut Euch drauf! ;-) (Und hofft mit mir, daß niemand dort meinen Namen googelt...)

Praktikum in der Eso-Apotheke, Teil 1: Schwanger werden mit Fledermauskot

$
0
0
Es ist Montag morgen, kurz vor 10 Uhr. "Hallo, ich mache ab heute bei Ihnen mein Praktikum!" Ich habe soeben eine große Apotheke im Rheinland betreten, um dort die nächsten vier Wochen zu arbeiten: eine, die sich auf TCM und allerlei anderen Alternativ"medizin"-Humbug spezialisiert hat und damit farbenfroh und weithin sichtbar wirbt. Ich habe, wie aufmerksame Leser meines Blogs bemerkt haben könnten, einen kleinen Hang zu "Undercover"-Aktionen entwickelt und dachte mir, die vier Wochen könnten die Qual wert sein; vielleicht würde ich ja mit ein wenig Gratis-Irrsinn belohnt. Nun, so viel kann ich schon nach der ersten Woche sagen: ich sollte Recht behalten...
Nach einem recht freundlichen Hallo dann die Ansage, daß ich die erste Woche gleich in der TCM-Abteilung selbst verbringen soll. Falls der geneigte Leser sich damit nicht auskennt, will ich versuchen, ein wenig zu erklären, was ich an der Traditionellen Chinesischen Medizin für so bedenklich halte. 

Die als "Jahrtausende alte Erfahrungsmedizin" verkaufte Heilslehre aus Fernost ist in Wirklichkeit höchstwahrscheinlich ein geschickter Marketingszug, der vor allem in der Mao-Ära entstanden ist und seitdem erfolgreich im Westen beworben wird. Man darf davon ausgehen, daß die chinesische Regierung und auch einige Wirtschaftszweige an diesem prestigeträchtigen Geschäft nicht uninteressiert sind. 
TCM, wie wir sie heute in Europa verstehen, umfaßt hauptsächlich Akupunktur, einige Formen der Massage und Bewegungsübungen sowie die "Arzneitherapie". Gemeint sind hiermit meist Medizinaltees bzw. Dekokte, die aus vier bis zwölf, oft auch 15 verschiedenen Zutaten hergestellt werden. Über 80% der Zutaten sind Kräuter oder Pflanzenbestandteile, es gibt jedoch auch ganz andere Klassen von Ingredienzen...
Die Diagnose stellt der TCMediziner mittels Zungen- oder Irisdiagnostik sowie durch das Fühlen des Pulses seines Patienten an beiden Händen. Anschließend schreibt er eine Mischung aus Heilmitteln auf, die in Bezug zu den Meridianen der erkrankten oder gestörten Organe stehen (schließlich ist das Qi aus dem Gleichgewicht geraten, was sonst?), zudem müßen ihre "thermischen Eigenschaften" (auf einer siebenstufigen Temperaturskala) und ihr Geschmack zum Erkrankungsbild passen. Das wiederum hängt alles mit dem Qi in seinen fünf Wandlungsphasen zusammen, doch an dieser Stelle steige ich dann immer aus; wer sich damit beschäftigen möchte, kann sich dieses Bild zu Gemüte führen:


Die Apotheke hat nun also eine eigene, große Abteilung, die ausschließlich damit beschäftigt ist, solche Medizinaltees bzw. Dekokte herzustellen - und mittendrin: ich. Ich möchte vorwegschicken, daß mir dieser Bericht hier fast schon ein wenig leid tut, weil in der Apotheke und speziell in diesem Bereich außerordentlich freundliche Menschen arbeiten, mit denen ich gern den Arbeitstag verbringe; aber es hilft ja nichts. Ich hatte selbst nicht für möglich gehalten, welch schreiender Irrsinn dort in den Regalen der Kräuterabteilung auf mich warten würde, deswegen sollte auch die Außenwelt erfahren, was dort wirklich passiert.

Das Ganze läuft so ab: Der/die Kunde/in betritt die Apotheke mit einem vom Heilpraktiker oder, was bei weitem häufiger vorkommt, Arzt (!) erstellten Rezept, dieses wird in den TCM-Bereich weitergeleitet und dort aus den riesigen Vorräten an Teedrogen und anderen Zutaten grammgenau zusammengestellt. Anschließend wird es entweder in Tütchen abgepackt oder pulverisiert, für manche wird sogar gleich das Dekokt angefertigt (also ein Sud, der dann über mehrere Wochen getrunken werden soll). Was sind das nun für Menschen, die ihre Mittelchen dort mischen lassen? Ich fand das fast schon tragisch. Der weitaus größte Teil der Kundschaft sind Frauen mit Kinderwunsch, die von einer "naturheilkundlich" arbeitenden Ärztin das volle Rezepturenprogramm verschrieben bekommen: bis zu vier Tees (à ca. 12 bis 20 Euro), für jede Phase des Zyklus einen. Natürlich kommen auch Rezepte für andere Indikationen herein, schließlich behaupten die TCM-Freunde ja, alles mit ihren Tees heilen zu können. 

Was ist nun daran der Skandal? Immerhin gibt es ja durchaus wirksame Phytotherapien. Nicht aber hier: mit stolz geschwellter Brust verkünden TCM-Anhänger, die Kräutertherapie sei ja eine Erfahrungsmedizin, manche Rezepte würden sogar geheim gehalten und nur von Vater zu Sohn weitergereicht; gute Daten zur Wirksamkeit der individualisierten Kräutertherapie gibt es kaum (und wenn doch, so zeigen sie, daß kein Unterschied zur Standard-Kräutertherapie besteht, siehe Singh & Ernst: "Trick or Treatment?"). Außerdem sind die Diagnostikwerkzeuge hanebüchen und überholt, einige Inhaltsstoffe sind sogar lebertoxisch und können zu Vergiftungen führen, miteinander oder mit anderen Medikamenten wechselwirken oder, was weitaus häufiger ist: überhaupt keinen Effekt haben.
Die KundInnen haben Glück: die Zutatenliste ist auf dem Teebeutel oder der Dekoktflasche nur im guten alten Apothekerlatein angegeben, sodaß sie keine Ahnung haben, was sie da eigentlich 20 Minuten lang aufkochen müßen. Denn neben allerlei Kräutern finden sich darin auch populäre Zutaten wie "Drachenknochen" (versteinerte Säugetierknochenfragmente), Muschelschalen, zerhackte Zikaden, Skorpionbestandteile und, mein persönlicher und tatsächlich recht häufig verwendeter Favorit: Fledermauskot. Mein Entsetzen darüber, in der Dose mit den übelriechenden Exkrementen herumwühlen zu müßen steigerte sich nur noch, als die Mehrheit der Kollegen dort das für ein sinnvolles Mittel hielt.

Mich interessierte natürlich, was besagte Kollegen generell zur Alternativ"medizin"frage so denken. Niemand dort ist ein richtiger Fanatiker (das sind höchstens die verschreibenden Ärzte und Ärztinnen), aber man glaube ja schon irgendwie an eine Wirkung. Diese Gespräche enden meist in einer kurzen Aufzählung von Heilungs- und Gesundheitsanekdoten, wie jeder Skeptiker vermutlich längst weiß. Ob man es denn nicht widerlich finde, daß Frauen, die verzweifelt schwanger werden wollen, sich zuhause ein Gemisch aus Kräutern, Fledermausexkrementen und Gips (ja, Gips) aufkochen? Och, nö, die wissen ja nicht, was sich in dem Teebeutel wirklich befindet. Na, dann...
Eine weitere Problematik mit der Nicht-nur-Kräutertherapie ist, daß oft Tier- und Pflanzenarten zur Verwendung gelangen, die geschützt sind. Und obwohl die deutschen TCM-Verbände sich entschieden dagegen aussprechen, ist das den chinesischen Zulieferern oft herzlich egal (und auch mit denen gab es in den vergangenen Jahren oft Probleme: so wurden beispielsweise falsche oder stark schwermetallbelastete Drogen geliefert, die eine routinemäßige und sehr sorgfältige Kontrolle in den Apotheken mittlerweile unerläßlich machen, doch dazu nächste Woche mehr).
Ein rundum gelungenes Konzept also.

Nun, das war die erste Woche. Ich weiß noch nicht, wo ich die zweite verbringen werde, aber irgendetwas läßt mich daran zweifeln, daß es dort rationaler zur Sache geht... nun denn, liebe Leserschaft, bis nächste Woche!

Pharmazie un(der)covered!

$
0
0
Für interessierte Leser stelle ich hier mal eine Liste mit Links zu meinen Beiträgen über die Eso-Wucherungen in der Pharmazie zusammen. Und los geht's:

Und aus der gerade begonnenen TCM-Reihe:

Hier kann man mich dazu auch hören:



... to be continued!


[Ja, die Formulierung der Überschrift ist geklaut.]





Batshit crazy.

$
0
0
Heute gibt es ein paar Bilder aus Crazytown. Falls jemand den Begriff "batshit crazy" noch nicht kennt - ich weiß jetzt wenigstens, wo er herkommt. Also - let the show begin:


Das bin ich mit Handschuhen. Mußte ja in Fledermauskot wühlen. Die Schutzausrüstung dient allerdings hauptsächlich dem Produktschutz. Der Kunde muß ja nicht noch meine Hautkeime zu den E.coli-Bakterien im Fledermauskot dazu bekommen. Hier ist es also, das Flatterexkrement:

 

Links der Name im schicken Apothekenlatein. rechts das Produkt. Ich wollte es nicht aus der Dose klauben, irgendwann ist auch mal gut mit der Hingabe an die Undercover-Recherche...
Meine zweitliebste Zutat ist "Cervi cornu colla", gelatiniertes Hirschhorn. Wird gerne Männern mit Kinderwunsch verschrieben. Über den Zweck darf munter gerätselt werden... Voilà:


Ich weiß auch nicht genau, warum irgendwelche Schriftzeichen auf dieser Tee-Ingredienz prangen müßen. Vermutlich harmonisieren sie das Chi oder so.


Das gefällt mir auch ausgezeichnet: Zikadenhack! Sehr lustig fand ich die Aufschrift auf der Dose: man möge doch bitte bis zur Unkenntlichkeit mörsern und das gute Zeug nochmal in separate Teebeutel abpacken, damit die Kunden auf keinen Fall erkennen, daß sie gerade Zikadengulasch kochen...



Als nächstes kommen Muschelschalen. Die müßen 40 min lang gekocht werden und helfen selbstverständlich auch bei Kinderwunsch. Außerdem lehrt uns die Aufschrift "Calm spirit", daß sie wohl auch beruhigend wirken. Natüüüüürlich.

 

Und zum Schluß: versteinerte Säugetierknochen. Mußte ich schon in diverse Tees mischen: das ist keine Exotenzutat. Ich bin übrigens dafür, daß Cornelius von BlooDNAcid die mal analysiert und schaut, welche Säugetiere das so sind. Wer will, kann eine Petition auf change.org starten. Oder ihm eine Mail schreiben. Harharhar.



So. Das war's erstmal. Am Wochenende der nächste Bericht! 
Schökes!

Lebenszeichen

$
0
0
Liebe Leser,

erstmal bitte ich vielmals um Verzeihung, daß ich so lange nichts habe hören lassen. Die Gründe dafür sind vielfältig und zum größten Teil persönlicher Natur. Außerdem war ich am anderen Ende der Welt (in Australien). Über das Praktikum habe ich nicht weiterberichtet, weil ich es verkürzen mußte - und das Verrückteste habe ich ja schon dokumentiert. Ich werde aber noch ein paar lustige Details in einem weiteren Beitrag kundtun.
Zudem werde ich im Januar bei Skeptics in the pub darüber sprechen, aber dazu in Bälde mehr!

Außerdem werde ich mich mal wieder in die Undercover-Szene stürzen, denn jetzt habe ich wieder ein wenig mehr Zeit. Und der nächste Post kommt auch nicht erst in einem halben Jahr. Versprochen. :-)


Astrolog...orrhoe

$
0
0
Ich rege mich oft auf, jedoch nicht besonders gerne: die Welt lässt mir ja keine Wahl. Und seitdem wir digitales Fernsehen zuhause haben, lässt sie mir noch ein bisschen weniger Wahl. Der Grund dafür ist AstroTV – ein Sender, den ich mir gleichermaßen verstört wie fasziniert immer dann betrachte, wenn ich keine Angst vor meinem Greisen-Ich habe, das auf dem Sterbebett die damit verschwendete Lebenszeit beklagt. Um Gerontenclaudia ein wenig zu besänftigen, fühle ich mich verpflichtet, wenigstens einen Beitrag über den kreischenden Irrsinn zu verfassen, der mir da bei jeder „Session“ entgegenschlägt.

AstroTV ist ein Privatsender, der die Welt seit dem Jahr 2004 „bereichert“ und hauptsächlich Esoterik- und Astrologietanten, selten auch –onkeln, die Gelegenheit verschafft, ihre gesammelten Psychokokken auf die Zuschauer loszulassen. Ich habe dabei zwei Gruppen von „Hellsichtigen“ und „Medien“ ausgemacht, die sich unterscheiden lassen: zum Einen die völlig Verstrahlten und in ihrer vermutlich drogeninduzierten Welt gefangenen Irren, die von Oliver Kalkofe phantastisch parodiert werden (siehe hier), zum anderen die skrupellosen, zynischen Geschäftemacher. Auf ein Paradebeispiel für diese Gruppe möchte ich später im Beitrag eingehen.

„Du gehst in eine große Zufriedenheit“

AstroTV hat, soweit ich das verfolgen konnte, zwei wichtige Programmblöcke: den Shop und die Live-Beratung. Letztere ist vermutlich lukrativ, kostet doch ein Anruf 50 Cent – und die Astro-Elsen werden auch nicht müde, die Zuschauer dazu aufzufordern, sich einzuwählen und der Macht des „Zufallsgenerators“ zu unterwerfen. Oft werden minutenlang die Anrufe unterdrückt, so daß es den Anschein erweckt, daß niemand dort momentan durchrufe und die Chancen, sich einzuwählen, nun besonders hoch seien – ein leicht durchschaubarer Trick, aber offenbar nicht für die Zuschauer von AstroTV. Ebenso „raffiniert“ mutet das Beratungskonzept an: Wünsche ans Universum über Heilsteine, Zukunftsaussichten über Tarotkarten, Persönlichkeitsanalysen über astrologische Methoden. Allen Beratungsarten ist gemein, daß sie auf milden Versionen des Cold Reading basieren: den BeraterInnen ist natürlich klar, daß die meisten Kunden anrufen, weil sie sich Rat in einer hoffnungslosen Situation erhoffen. Meist betrifft das Liebe oder Finanzen, so werden diese Felder auch als erstes abgearbeitet und die Anruferin (in den allermeisten Fällen handelt es sich um Frauen in den Fünfzigern) ist erstaunt ob solcher „Hellsichtigkeit“. Dann werden meistens Allgemeinplätze abgegrast, Dinge wie „Du tust Dir zu wenig Gutes“, „Du wehrst Dich zu selten“ oder „Du warst immer wenig selbstbewusst“ – Dinge, die viele Menschen bejahen würden und die zudem verstärkt zu dem psychischen Profil der Anrufergruppe passen dürften. Zu diesen ganzen Floskeln gesellen sich entweder willkürliches Kartenwerfen, Omm-Gesänge, Energie-Übertragungs-Aerobic oder Heilsteinroulette, und schon ist der Eindruck der hellsichtigen, warmherzigen und weisen Abgesandten einer anderen Dimension perfekt. Zumindest für diejenigen, die es glauben wollen und bereit sind, ihr letztes Geld für ein wenig Hoffnung in den Rachen der Redaktion zu werfen.

Merlins Delphine aus Atlantis

Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, als ich mich zum ersten Mal mit dieser grotesken Anderswelt beschäftigt habe, war diejenige, ob die Berater, die meist irgendwelchen nutzlosen Talmi (wertloser Schmuck oder gravierte Glasquader), den sie selbst „geweiht“ oder „energetisiert“ haben, nach ihren Beratungen im Shop verkaufen, selbst eigentlich glauben, was sie da in den Äther absondern. Wenn ja, so wird mir ganz anders – es ist ein nicht ganz ungefährliches Konzept, Dinge zu glauben und vehement zu vertreten, für die man nicht nur keine Belege hat, sondern die auch dem eigenen Kopf entspringen. Einfach ein paar Worte aus dem Esoterik-Bingo genommen (Energie, Quanten, Schwingung, Tachyonen, Matrix, Orgon, Aura, Chakra, Prana, Indigo, Kristall, Schamane, Photonen, Heilung, Wunder, Zauber, Clearing, Sterne…) und in den Mixer geworfen, schon hat man verstanden, wie die Welt funktioniert und ist der Meinung, die eigene Deutung sei die einzig richtige. Ähnliche Ansätze, basierend auf einer Unfähigkeit, den „Reality Check“ zu vollziehen – was an der evidenzlosen Hinnahme von Behauptungen liegt, zeigen religiöse Fundamentalisten. Eine Denkweise, die im schlimmsten Fall dazu führt, daß Menschen sich in die Luft sprengen. Das scheint mir typisch zu sein für eine Zeit, in der sich der Westen so sicher wähnt in der postaufklärerischen Episode, daß er gar nicht merkt, wie sehr er gerade zurück ins Mittelalter wandelt, wo man Klerikern und Quacksalbern wieder zuhört und sie reich macht.

Doch auch die zweite Möglichkeit nährt nicht gerade meine philantropischen Neigungen: die Vorstellung, wie jemand sich ein völlig absurdes Weltbild zusammenschustert, das er selbst als irrsinnig versteht, aber auch sieht, daß es sich gewinnbringend an Bedürftige verkaufen lässt, versetzt mich in Wut. Unlängst sah ich eine alte Bekannte aus der Premium-Knallchargen-Sammlung von AstroTV: Ariane Le Clerk ist der Name, und vielen Skeptikern dürfte sie bekannt sein, da sie einst versuchte, Plüsch-Energiedelfine(aus Atlantis, natürlich - mit dem Atlantis-Matrix-Quantenheilungscode) an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Damals dachte ich schon, das sei der Gipfel der Verrücktheit, doch mit ihrem neuerlichen Rundumschlag gegen den gesunden Menschenverstand hat sie mir zu verstehen gegeben, daß niemand, der nicht besser in einer geschlossenen Anstalt aufgehoben wäre, so etwas glauben kann. Zuerst saß das angemoppelte Medium selbstgefällig da und und beriet Zuschauer. Dabei wedelte sie mit einem länglichen, metallischen Gegenstand mit farbiger Glasspitze herum und verteilte allerlei Segenswünsche. Später identifizierte sie ihre Tischdekoration als „geweihte Kerzen aus Avalon“ und ihre Methode als „Star Clearing“, denn die Metallphallen sollten der Sternenlichttherapie dienen, die sie als „einziger Mensch auf der Welt“ beherrsche. Öfter mal redete sie mit ihrem Kumpel Merlin, der ihrer Angabe nach neben ihr stand und den geweihten Sternenlichtstangen Merlins Licht verleihe. „So kämpfe ich für meine Zuschauer!“, ließ sie immer wieder verlautbaren, nachdem sie in einem gespielten Streit mit der Regie noch ein paar verlängerte Einzelgespräche herausgeschlagen hatte. Im Angebot waren daraufhin entweder zwei Starclearings oder ein konkreter Rat von Merlin. Nach dieser bizarren Scharade war Frau Le Clerk im Shop zu sehen, wo sie neben dem göttlichen atlantischen Dreieck und dem Avatar Protection Elixir auf die Sternenlichttherapiestängel zu verkaufen gedachte (nur 130 Euro pro Stück, kaufen Sie am besten alle sechs!). Diese habe sie „unter Einsatz ihres Lebens“ in England, in Merlins Höhle, energetisiert. Doch keine Sorge, auch die Zuschauer, die ihre Stäbe vor der Reise nach England erworben hatten, könnten diese noch energetisieren lassen: am fünften jedes Monats, zwischen 22 und 23 Uhr, würden sich die Stäbe mit dieser Merlin-Energie aufladen. Zum Glück!
Falls Sie, verehrter Leser, sich fragen, was es mit den verschiedenen Lichtfarben auf sich hat, so schafft Frau Le Clerks mit Rechtschreibfehlern gespickte Homepage Abhilfe: dieses Licht ist kein normales Licht; es ist „mit den alten, geheimen Codierungen aus Atlantis und den Sternen verbunden“. Der auserwählte hohe Rat aus Atlantis stehe für die Sternkonstellationen Pate, lässt die gute Ariane uns wissen.

Die fünfte Dimension des Wahnsinns

Zum Abschluß wurde noch angekündigt, daß am 23.12.2013 die fünfte Dimension in diese Welt integiert werde. Auf ihrer Facebook-Seite tat sie Folgendes kund::

Der menschliche Abschaum sind übrigens wir Skeptiker. Ein weiterer schöner Gesichtspunkt dieser Form von Esoterik: die "Hellsichtigen" besingen sich gern selbst und gegenseitig, sind sie doch eine elitäre, weiter entwickelte Form der Menschheit!

Entweder, das ist klinischer Wahnsinn oder auf widerwärtigste Art skrupellose Geschäftemacherei. Für letzteres sprechen die vielen auf ihrer Homepage abgedruckten Dankesbriefe, die sie in den höchsten Tönen loben und irgendwie klingen, als seien einige davon von ein- und derselben Person geschrieben, die merkwürdigerweise die gleichen Rechtschreibfehler macht wie Frau Le Clerk selbst in ihren Texten… merkwürdig, nicht wahr?

Neben aller Kritik, die man an Astrologie an sich üben kann (ist das System noch intakt, wo Pluto doch kein Planet mehr ist? Wieso haben willkürlich ausgewählte, völlig verschiedenartige Objekte am Himmel [Planeten, Sterne, Monde...] eine Wirkung auf den Menschen? Wie erklärt sich, daß es keine stichhaltigen Beweise für diese Lehre gibt? Wird nicht auch hier mit Allgemeinplätzen und Suggestionen gearbeitet?], ekelt mich diese Geschäftemacherei am meisten.

Für mich wäre es vermutlich ein leichtes, mit entsprechendem Esoterik-Wortschatz-Bingo und freundlichem, gewollt-mysteriösen Auftreten viel Geld zu scheffeln und mich als Medium zu betiteln (wobei es wenig geheimnisvoll anmutete, als kürzlich eine stark schwäbelnde Tarot-Tante kundtat, daß sie in Wirklichkeit Fleischereifachverkäuferin sei), doch mir steht dabei etwas Entscheidendes im Weg: mein Gewissen. Ich brächte es nicht übers Herz, finanz- und verstandesschwache Menschen in Nöten derartig aufs Korn zu nehmen und dafür Geld einzustreichen. Ihnen falsche Versprechungen zu machen, auf die sie sich dann verlassen und ihr Handeln dementsprechend und mit ggf. schlimmen Folgen modifizieren.


Ich bin nicht einverstanden.

P.S.: Warte auf einstweilige Verfügung oder Klage. In 3, 2, 1, ...

TCM bei Skeptics in the Pub. Mit mir.

$
0
0
Liebe Leser,

ich habe einen Termin anzukündigen! Der ein oder andere von Euch hat ja meine TCM-Reihe verfolgt, die ich leider abkürzen mußte. Die versprochene Zusammenfassung mit den zusätzlichen Infos wird es am 22. Januar 2014 bei Skeptics in the Pub in Köln geben.

"Traditionelle Chinesische Medizin - Zwischen uralten Heilsversprechen und Tierexkrementen"
Im Jameson Distillery Pub, Friesenstr. 30, Köln
Am 22. Januar um 19.30 Uhr geht es los.

Hier auch der Link zur Veranstaltung: Klick - und hier bei Facebook: Klick.

In dem Vortrag werde ich mich auseinandersetzen mit meinen Erfahrungen in der TCM-Apotheke, aber auch mit dem Traditionellen Chinesischen Medizin an sich, ihren Methoden und Versprechen. Ich werde Probleme ansprechen, die auftreten und Gefahren, die den Patienten gar nicht bekannt sind. Außerdem werde ich ein wenig über die verwendeten Teedrogen sprechen, die ja durchaus wirkstoffhaltig sein und Wirkung entfalten können. Kann man TCM evidenzbasiert betreiben? Was wären die Alternativen? All das wird Thema dieses Vortrags sein, der anschließend in niedergeschriebener Form bei der UniDAZ erscheinen und gleichzeitig hier im Blog veröffentlicht wird.

Ich würde mich freuen, einige von Euch dort zu sehen!

Wer will Medium werden?

$
0
0
Liebe Leser,

der Vortrag am 22. Januar ist in Arbeit, die Klausurenphase läuft, da kann man ja noch ein weiteres Projekt in Angriff nehmen! Diesmal allerdings an ganz anderer Stelle. Zusammen mit meinen exzellenten und kompetenten Kollegen Cornelius Courts, Sebastian Bartoschek, Alexander & Alexa Waschkau, Sven Rudloff und Julia Groß wird es vom 24. bis 26. Oktober 2014 einen Workshop geben.

Worum es dabei geht und was sonst noch wichtig ist, findet ihr in diesem Flyer hier:
#Mediumwerden

Solltet Ihr Interesse oder Fragen haben, so wendet Euch doch bitte vertrauensvoll an die im Dokument angegebene Email-Adresse. Ich freue mich auf Euch!



10 Years an Atheist

$
0
0
Liebe Leser,

ich habe unlängst festgestellt, daß ich dieses Jahr mein zehnjähriges Atheismus-Jubiläum feiere. Oft sind Menschen, die mich näher kennen, überrascht, dass es nicht das 26. Jubiläum ist, aber ja: ich war früher eine gläubige Katholikin. In diesem Artikel möchte ich ein wenig die Erkenntnisse beschreiben, die ich in den vergangenen zehn Jahren gewonnen habe – womit ich gehadert habe und was mir neuen Mut verschaffte. Deshalb ist dies ein sehr persönlicher Post. Manchmal habe ich mich auch gefragt, wieso ich in meinem Blogtitel eigentlich sowohl „Atheistin“ als auch „Skeptikerin“ angeführt habe: die beiden sind desselben Geistes Kind und meiner Meinung nach nicht zu trennen. Sie basieren auf dem Willen, alle Inkonsistenzen aus dem eigenen Weltbild verschwinden zu lassen und beharrlich nach Beweisen für meine Annahmen zu suchen. Dieser Prozess hat bei mir etwas länger gedauert, um in Gang zu kommen. Und diese Geschichte folgt nun.

Von der Katholikin zur Ketzerin

Der mathematisch begabte Leser hat schon ein paar Zeilen weiter oben festgestellt, daß ich mittlerweile 26 Lenze auf meinem immerhin noch einigermaßen intakten Buckel habe. Sehr viele davon habe ich in Süddeutschland verbracht, unter dem indirekten Einfluss des katholischen Allgäus und dem direkten des frommen Schwabenlandes. Dementsprechend war es für mich selbstverständlich, den katholischen Glauben meiner Familie weiterzutragen; es gab gar keinen Anlass für Zweifel an Gottes Existenz. Ich bin jedoch glimpflich davongekommen: kein Beichten, Höllengeschichten nur in der Schule, liebevolles Elternhaus, geschenkereiche Erstkommunion und Firmung. Meine Mutter verbat mir, meine Unterschrift unter die auf der letzten Seite einer in meiner Schule verteilten Bibel verfassten Erklärung, daß ich eine unwürdige Sünderin sei, zu setzen. Doch Verluste in der Familie und Ungerechtigkeiten ließen sich dem kindlichen Gemüt mit Hilfe eines lieben Gottes doch viel verträglicher erklären – also behielt ich diese Glaubenssache vorerst bei. Blöd nur, daß mein Interesse an Naturwissenschaften (vor allem Astronomie und Biologie) schnell wuchs und so mein Weltbild ernsthaft bedrohte. Irgendwann, genauer gesagt im Jahr 2004, kam es dann, wie es kommen musste: es benötigte nur ca. 30 Sekunden, um mich von der Katholikin zur Ketzerin zu machen. Ein Bekannter setzte mir am Telefon nur ein einziges Argument vor, das ich derartig überzeugend fand, daß ich – gegen anfängliches Wehren – nicht mehr länger leugnen konnte, wie offensichtlich Gott doch eine menschengemachte Figur ist. Ich fühlte mich schlecht und schuldig und es taten sich sogleich allerlei Probleme für mich auf (diese lästige Sterblichkeitssache, zum Beispiel), doch mit den Jahren lernte ich, damit umzugehen und sogar etwas ähnliches wie Stolz dabei zu entwickeln. Natürlich war das im Dorf nicht gern gesehen: da lief „Die Tochter vom Graneis“ plötzlich mit Aufsehen erregenden, düsteren Shirts herum und tat blasphemische Dinge kund! Nun, mit 16 ist man vielleicht einfach noch nicht so gut darin, Dezenz zu beweisen… aber ich versuchte nunmehr, mit Argumenten zu überzeugen und nicht mit blindem Gottvertrauen. Seit diesen Tagen ist einiges mit mir geschehen.


Atheismus, Souveränität und Lebenssinn

Ich habe an Freiheit gewonnen. Freiheit, meinen Lebenssinn selbst zu bestimmen und zu finden; Freiheit, zu tun, was ich allein für richtig und wichtig halte; Freiheit, mich nicht den albernen Gesetzen einer misogynen, menschenverachtenden, zynischen und unbarmherzigen Gottheit unterwerfen zu müssen, die meinen ganzen Lebensplan schon vorherbestimmt hat. Die imaginären Marionettenfäden zu durchtrennen bedeutet, an Souveränität zu gewinnen, aber auch an Verantwortung. Ein falsches Wort einem verletzlichen Menschen gegenüber wird nicht von einem Gott am jüngsten Tage wieder gut gemacht. Für nichts gibt es ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits. Falsche Entscheidungen verfolgen einen vielleicht ein ganzes Erdenleben lang: und dann war es das, ohne zweite Chance. Entweder, man verzweifelt an der Angst davor, oder man atmet zum ersten Mal Freiheit.
Und auch das Gefühl für die eigene Bedeutungslosigkeit kann befreiend sein. Ein Blick zu den Sternen sollte jeden normalen Menschen justieren und in seine Schranken verweisen: die Schranken eines kosmischen Wimpernschlags zwischen einem pränatalen und einem postmortalen Nichts, einer vor der Ehrfurcht einflößenden, majestätisch-gewaltigen, Äonen alten Beschaffenheit des Universums zum Staubkorn schrumpfenden Chance, den (Sternen)Staub, aus dem wir uns erhoben haben, zu kontemplieren und zu bewundern. Dieser menschenförmige Sack aus Wasser, Kohlenstoffatomen und einem Calciumgerüst dient als Vehikel für einen durch komplexe neuronale Verschaltung zustande kommenden Geist, der sich selbst und die Welt erkennen und erfühlen kann. Wem beim Anblick der Sterne in einer kalten Winternacht, in Anbetracht der Tatsache, daß das Photon, welches gerade die eigene Retina getroffen hat, Millionen, ja, Milliarden von Jahren unterwegs war und von einem komplett anderen Sternensystem generiert und entsandt wurde, nicht der Atem stockt, der muß seine Lektion in Bescheidenheit noch lernen. Und der größte Feind dieser Bescheidenheit ist der Glaube, daß „da oben“ ein Gott sitzt und sich tagein, tagaus ausschließlich um die lächerlichen Belange einer Spezies kümmert, die durch ein evolutionäres Missgeschick die Fähigkeit erlangt hat, seine Majestät mit Gebeten zu behelligen.

Atheismus, Moral und das Schlechte in der Welt

Wie kann man als Atheist das Schlechte in der Welt ertragen? Das habe ich noch nicht recht gelernt. Daß Gerechtigkeit nicht weltimmanent ist und es keinerlei Anspruch darauf gibt, war vielleicht eine der härtesten Lektionen meiner Dekonversion. Wenn es keinen Gott gibt, dessen Wege unergründlich sind und der erlittenes Leid im Jenseits tausendfach wieder gut macht, wie kann man dann bei Verstand bleiben, wenn man sieht, was Menschen einander (oft im Namen der Religion) antun oder was sie erleiden müssen? Wie kann man nicht zum heillosen Zyniker verkommen, wenn man sieht, wie Kinder verhungern, während sich dicke Fußballmanager bis zum Herzinfarkt fressen und tausende von Euro für eine Flasche Sekt ausgeben? Ich glaube, die richtige Coping-Strategie habe ich dafür noch nicht gefunden. Ich habe nur begriffen, daß es kein metaphysisches Recht auf Gerechtigkeit gibt. Und ich habe beschlossen, daß ich mein Möglichstes tun werde, keine negative Rollen in solchen Zusammenhängen zu spielen und wer weiß, vielleicht wird es ja eines Tages eine positive. Das erste Mal wurde mir das Übel in religiösen Auswüchsen bewusst, als am 11. September 2001 mehrere tausend Menschen bei einem terroristischen Anschlag zu Tode kamen: an diesem Tag flimmerten Bilder durch die Röhre, die ich fast nicht ertragen konnte. Menschen, die sich panisch aus dem Fenster in den sicheren Tod stürzten und auf der anderen Seite Religiöse aus dem mittleren Osten, die jubelnd amerikanische Flaggen verbrannten. Sich über den Tod auch nur eines Menschen zu freuen – das war mir unbegreiflich (und ist es noch). Das führt mich zum grundlegenden Problem von Religion und Moral: religiöse Moral ist nicht Leid-orientiert. Richtig ist, was Gott sagt und falsch ist, was Gott verbietet. Ich töte also, wenn Gott es befiehlt und wenn ich nicht töte, dann nur, weil Gott das nicht so toll findet. Richtige Moral funktioniert so: ich versuche, alles zu vermeiden, was anderen Leid zufügt. Gut sind die Dinge, die kein Leid provozieren oder vielleicht sogar Positives bewirken. Nur auf der Grundlage einer solchen Fehlkonzeption von Moral kann es zustande kommen, daß Menschen sich moralisch im Recht fühlen, wenn sie Dinge tun, die dem moralisch korrekt gepolten, empathischen und sozialen Tier Mensch als abgrundtief falsch und verwerflich vorkommen. Ein islamistischer Terrorist, der hunderte von Menschen tötet, oder ein christlicher Fundamentalist, der eine Abtreibungsklinik in Brand steckt, ist davon überzeugt, zu 100% moralisch integer zu sein und absolut korrekt zu handeln. Das bringen nur Religion oder religionsnahe Ideologien (z.B. Faschismus) zustande. Ich empfehle dieses und dieses Video, um sich die Dimensionen dieses katastrophalen Sachverhalts noch einmal vor Augen zu führen. Genauso problematisch ist die Idee des Märtyrertodes: ein beliebtes religiöses Motiv. Jemand, der den Tod nicht fürchtet, ist die ultimative Waffe. Er ist das Instrument, das die Welt zugrunde richten kann, wenn er fundamentalistische Motive und Nuklearwaffen hat.


Atheismus, Liebe und Tod

Ich musste das Sterben lernen. Das war die erste und mit Abstand härteste Lektion von allen. Alle Menschen, die ich ins Jenseits verabschiedet hatte, waren nun für mich ganz weg. Fast alles, was mir geholfen hatte, diese Todesfälle oder andere Ungerechtigkeiten und Katastrophen in meinem Leben zu verarbeiten, zerfiel zu Staub. So wird es wohl jedem gehen, der aus der Trost spendenden Hand eines liebenden Schöpfers in die Gasse fällt, von welcher aus man nur noch die Sterne sehen kann. Doch, wie eingangs schon erwähnt, birgt das auch Chancen – die Chance, von den Luftschlössern abzulassen und einen gesunden Weg zu finden, sich mit Vergänglichkeit und Tod, kurz, mit der Realität, abzufinden. Zudem macht die Begrenzung eines Zeitraums selbigen um ein vieltausendfaches wertvoller: beliebig wiederholbare Momente, obgleich im Jenseits oder hier, verlieren an Intensität, an Wert. Steht jedoch nur ein begrenztes Kontingent zur Verfügung, gelingt einem das, was ich unter einer gänzlich weltlichen Heiligung dieser Momente verstehe. Unter wahrhaft irdischer Spiritualität. Ein profundes Gefühl für die Schönheiten dieser Welt, für die Einmaligkeit dieser von Chaos, Zufall, Naturgesetzen und Evolution konstruierten Kulisse unseres irdischen Gastspiels. Dann bin ich immer ganz dankbar dafür (niemandem außer den vier oben genannten), daß ich, ausgerechnet ich, dieses neuronale Feuerwerk, das mein Bewusstsein konstituiert, diesen wunderschönen Erdenmoment erleben kann. Und so ist es auch mit der Liebe: wie viel kostbarer wird doch jeder Moment mit dem geliebten Menschen, wenn die gemeinsame Zeit begrenzt ist? Wie sehr lädt diese Beschränkung eine solche Verbindung auf mit Tragik, ja, Poesie! Ich habe nie so sehr geliebt wie als Atheistin. Und dafür hat es sich wirklich gelohnt, mit dem Sterbenlernen zu beginnen.
Lieben ohne Gott birgt noch weitere Dimensionen, die für mich unabdingbar sind: nicht Gott wählt meinen Partner, sondern ich. Aufgrund seines Wesens und seiner liebenswerten Eigenschaften. Und es ist auch nicht Zweck einer Partnerschaft, Gott durch den anderen zu lieben. Nicht Gott bringt die Liebe in die Welt, dazu sind allein wir fähig. Und als Frau fühle ich mich nur geliebt, wenn ich mich auf Augenhöhe mit einem Mann sehen kann, dem ich nicht gehöre und der nicht über mich bestimmt.
Natürlich schreckt mich der Tod noch von Zeit zu Zeit. Und die Bedeutungslosigkeit, in der mein Leben dereinst verglühen wird, vermag mich hin und wieder zu erschrecken und zu bedrücken. Doch dann frage ich mich, wieso ich eigentlich so eitel bin? Ich überlasse Richard Dawkins hierzu die letzten Worte dieses Artikels:

“We are going to die, and that makes us the lucky ones. Most people are never going to die because they are never going to be born. The potential people who could have been here in my place but who will in fact never see the light of day outnumber the sand grains of Sahara. Certainly those unborn ghosts include greater poets than Keats, scientists greater than Newton. We know this because the set of possible people allowed by our DNA so massively exceeds the set of actual people. In the teeth of these stupefying odds it is you and I, in our ordinariness, that are here. We privileged few, who won the lottery of birth against all odds, how dare we whine at our inevitable return to that prior state from which the vast majority have never stirred..."

Sieh ihn Dir gut an: Deinen Märtyrer. Sterne starben, und nur deswegen lebst Du heute. Dies ist Deine Geburtstätte und sie wird noch leuchten, lange nachdem Du den letzten Atemzug getan hast.

Hokuspokus und TCM

$
0
0
Liebe Leser,

ich habe eine freudige Ankündigung zu machen, für die ich aber etwas ausholen muß. Die Uni-Ausgabe der Deutschen Apothekerzeitung (UniDAZ) hat zwei Artikel von mir veröffentlicht! Das lief so: ich wurde gebeten, einen Artikel über Traditionelle Chinesische Medizin zu schreiben, da man auf meine Undercover-TCM-Recherche aufmerksam geworden war. 
Nachdem ich den Artikel geschrieben hatte, bat man mich um die Zweiteilung in einen Fachartikel und einen Kommentar. Bei letzterem konnte ich mich austoben, was mich ziemlich freute - dieser Kommentar erscheint weiter unten in diesem Blogbeitrag. 
Cornelius Courts veröffentlicht auf seinem Blog BlooD'N'Acid den ursprünglichen Artikel (vor der Zweiteilung). Hier ist der Artikel zu finden (klick).

Nun aber erstmal der Kommentar, der sensationellerweise so in einem Magazin abgedruckt wurde, das kostenlos an alle Pharmaziestudentinnen und -studenten Deutschlands ausgegeben wird.

Kommentar: Hokuspokus auf dem Vormarsch

Ich muss zugeben, dass es mich ein wenig schmerzte, die der TCM zugrunde liegenden Gedankenkonstrukte im Indikativ niederzuschreiben: das verleiht ihnen einen Grad an Seriosität, der solchen Märchen eigentlich nicht zusteht. Theorien wie diese entziehen sich jeder wissenschaftlichen Untersuchung und sind daher nicht als glaubwürdig zu betrachten. Genauso so gut könnte ich behaupten, dass der Mensch von unsichtbarer Einhornstrahlung angetrieben wird und jedes Mal krank wird, wenn in Atlantis ein Einhorn stirbt.
Doch die Wichtigkeit wissenschaftlicher Belegbarkeit scheint im deutschen Gesundheitssystem zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Homöopathie, Bachblüten und Schüsslersalze stehen nicht nur bei den Kunden hoch im Kurs und verhelfen vielen Apotheken zu schwarzen Zahlen – ihr irrationaler Siegeszug setzt sich in den Hörsälen deutscher Universitäten fort. So sind TCM und Homöopathie ganz selbstverständlicher Bestandteil des Medizin- und Pharmaziestudiums geworden, vielerorts von einschlägigen Stiftungen finanziert und unkritisch vorgetragen. Die Statistikprüfung hingegen ist ohne großen Lernaufwand nach zwei Wochen Blockvorlesung abgehandelt. Dieses Missverhältnis sagt viel aus darüber, was im Gesundheitswesen schief läuft.
Studenten werden nicht mit der wissenschaftlich-kritischen Methode konfrontiert und kommen daher gar nicht auf die Idee zu fragen, wie geschütteltes Wasser und stark verdünnte Salze denn wirken können und wie es mit der Beweislage aussieht. Sie können gute nicht von schlechten Studien unterscheiden und sind dazu verdammt, alles zu glauben, was ihnen entsprechend präsentiert wird (und Geld ins Haus bringt).
Das ist auch der Eindruck, den ich aus dem Praktikum im Dschungel des Irrsinns mitgenommen habe: Märchengeschichten sind gut, solange man groteske Summen dafür verlangen kann. Kryptisches Geschwurbel um einen eventuell vorhandenen Milz-Qi-Mangel, ein „rebellisches“ Qi oder „pervertierte Körperflüssigkeiten“ sind dabei nur Teile von einem aus Geld, Zeit und Placebo-Effekt bestehenden, äußerst ertragreichen Gesamtkonzept.
Dabei werden auch Unannehmlichkeiten und Gefährdungen in Kauf genommen; die Dekokte sind unappetitlich und sicher keine Gaumenfreude, die Zutaten sind zum Teil giftig und gefährlich. Es darf bezweifelt werden, dass eine esoterisch-spirituelle Ausbildung, der sich viele Heilpraktiker unterziehen, Kompetenzen in diesem Bereich verleiht. Zudem ist das Risiko von Verschleppung und Verschlimmerung wirklich behandlungsbedürftiger Krankheiten groß und hat schon einige Todesopfer gefordert.
Die „alternativen Therapierichtungen“ wie Homöopathie oder eben auch TCM haben bisher keinerlei Wirksamkeitsnachweis in unabhängigen, qualitativ hochwertigen, randomisierten Doppelblindstudien mit großem Probandenkollektiv erbracht. Deren Wirkung beruht allein auf dem Placeboeffekt (den im Übrigen auch richtige Medikamente, neben einer Hauptwirkung, mit sich bringen). Doch weil das Ganze so lukrativ ist, durchseucht die Esoterik mehr und mehr das Gesundheitswesen in Deutschland und Europa.
„Wer heilt, hat Recht!“ tönt es einem dann immer höhnisch entgegen, doch damit enttarnt sich der Sprechende als inkompetent. Denn wer oder was denn eigentlich heilt, ist in solchen Fällen nicht eindeutig zu identifizieren. War der Geheilte denn überhaupt krank? Ist der Zustand nicht vielleicht von alleine gewichen? War ein zuvor abgesetztes synthetisches Medikament nicht doch der Auslöser der Heilung? Oder ist es nur angenehm, dass dessen Nebenwirkungen schwinden? Wer heilt, ist also zunächst einmal unbekannt. Man müsste dem Phrasendrescher dann schnell zurufen, dass Korrelation und Kausation nicht dasselbe sind: ein zeitlicher Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen bedeutet nicht, dass eines das andere ausgelöst hat. Niemand, der dem Kindesalter entronnen und bei Verstand ist, würde annehmen, dass die Vollständigkeit der eigenen Nahrungsaufnahme einen Einfluss auf das Wetter am Folgetag hat: wieso glaubt man dann, dass Zuckerkügelchen eine Bronchitis geheilt haben? Die letzten, die erfolglos so argumentiert haben, waren die Azteken, die jeden Tag ein Menschenopfer erbrachten, damit am nächsten Tag die Sonne aufgehe. Und auch der oft zitierte Satz „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt“ wird dem skeptischen Menschen oft entgegengeschleudert. Doch dieser beruht ebenfalls auf einem logischen Fehlschluss: zu dem verborgenen Dingen zwischen Himmel und Erde muss nicht zwangsläufig das Wirkprinzip der Homöopathie oder die Existenz von Qi und Meridianen gehören. Sonst könnte ich auch darauf bestehen, dass sich in diesem ominösen Äther meine vorhin angesprochene Einhornenergie befindet.
Es ist völlig inakzeptabel, dass die Ausbreitung solch hanebüchener und mit der modernen Naturwissenschaft in keiner Weise zu vereinbarender Konzepte nicht nur hingenommen, sondern von Universitäten, Ärzten, Apothekern, Krankenkassen und dem Gesetzgeber auch noch vorangetrieben wird. Patienten verdienen eine Behandlung nach aktuellsten wissenschaftlichen Standards – keinen Hokuspokus mit Zauberwasser und Fledermauskot.

Über die Probleme der Skeptiker

$
0
0
Warnung: in diesem Artikel werde ich Ansichten kundtun, die einigen Skeptikern sauer aufstoßen könnten. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich mich unbeliebt machen. Wer sich fragt, wieso ich bisher keiner skeptischen Organisation beigetreten bin, möge weiterlesen. Wer sich leicht auf den Schlips getreten fühlt, eher nicht.

Jemand, der sich als Skeptiker bezeichnet, erhebt das Zweifeln zur Tugend. Er glaubt nicht „jeden Scheiß“, sondern fordert Belege für die Annahmen, die ihm präsentiert werden. Hitchens Razor fasst das ganz gut zusammen: „What can be asserted without evidence can be dismissed without evidence” – die Beweispflicht liegt also bei demjenigen, der eine Behauptung aufstellt. Auf diese Weise lehnt der Skeptiker beispielsweise Homöopathie ab: es gibt keinerlei Belege für die Wirksamkeit und die der Homöopathie zugrunde liegenden Prinzipien. Betrand Russels Teekanne[1] bringt es auf den Punkt: eine Behauptung muß falsifizierbar sein, um im wissenschaftlichen Diskurs auch nur entfernt Bestand zu haben.

[1] „Wenn ich behaupten würde, dass es zwischen Erde und Mars eine Teekanne aus Porzellan gebe, welche auf einer elliptischen Bahn um die Sonne kreise, so würde niemand meine Behauptung widerlegen können, vorausgesetzt, ich würde vorsichtshalber hinzufügen, dass diese Kanne zu klein sei, um selbst von unseren leistungsfähigsten Teleskopen entdeckt werden zu können. Aber wenn ich nun zudem auf dem Standpunkt beharrte, meine unwiderlegbare Behauptung zu bezweifeln sei eine unerträgliche Anmaßung menschlicher Vernunft, dann könnte man zu Recht meinen, ich würde Unsinn erzählen. Wenn jedoch in antiken Büchern die Existenz einer solchen Teekanne bekräftigt würde, dies jeden Sonntag als heilige Wahrheit gelehrt und in die Köpfe der Kinder in der Schule eingeimpft würde, dann würde das Anzweifeln ihrer Existenz zu einem Zeichen von Exzentrik werden. Es würde dem Zweifler in einem aufgeklärten Zeitalter die Aufmerksamkeit eines Psychiaters einbringen oder die eines Inquisitors in früherer Zeit.“ – Bertrand Russel, 1952

Russels Teekanne ist freilich eine Religionsanalogie. Sie lässt sich jedoch erweitern auf Ideen wie die Homöopathie: die Informationsübertragung an Wasser durch Potenzieren ist nicht belegbar, ebenso wenig kann man sie widerlegen. Die Idee ist metaphysisch und nicht greifbar. Zieht man dann noch Ockhams Rasiermesser hinzu [2], verbietet sich dem Skeptiker jegliche Annahme, die auch nur teilweise im Reich der Metaphysik beheimatet ist. Natürlich gibt es Phänomene, die wissenschaftlich noch nicht erklärbar sind, doch werden sich auch diese mit großer Wahrscheinlichkeit mit Hilfe potenziell falsifizierbarer Modelle erklären lassen.


Nun ist aber die Idee eines Gottes eine ganz und gar metaphysische, die, wie Russel es so schön darlegt, niemals widerlegbar sein wird – und bisher auch einen eklatanten Mangel an positiver Evidenz erkennen lässt. Ein wahrer Skeptiker muß also auch immer ein Atheist sein, oder, wie Richard Dawkins es ausdrückt, rein theoretisch ein Agnostiker, aber de facto ein Atheist, der sein Leben so lebt, als gebe es keinen Gott (bei sehr, sehr kleiner Restwahrscheinlichkeit für dessen Existenz, die jeder Mensch, der beispielsweise im Wissenschaftsbetrieb mit Zahlen arbeitet, als absolut vernachlässigbar erachten würde). Dennoch gibt es Gläubige unter den Skeptikern – und die Appeasement-Politik der Gruppierung verbietet (fatalerweise) eine öffentliche Äußerung gegen die abstrusen metaphysischen Behauptungen der Geistlichen sowie die daraus erwachsenden Forderungen und Gräueltaten. Ein wahrer Skeptiker ist – per Definition! – auch immer ein Atheist. Es sei denn, die Angst vor dem Tod / der Wunsch nach der auffangenden Hand Gottes / das Verlangen nach einer sinngebenden Instanz / … fördern eine Art Doppeldenk zu Tage, welcher plötzlich genau diejenigen Argumente aufkeimen lässt, die Skeptiker bei Alternativmedizin-Aficionados so verachten: die Anekdote („Aber das Gebet hat meiner Tante bei ihrer Krebserkrankung geholfen!“), die persönliche Erfahrung („Ich habe Gott einfach gespürt!“) oder den Vorwurf der Engstirnigkeit („Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde…“).
Ich würde einer Skeptikerorganisation beitreten, die sich entschieden gegen religiöse Verrücktheiten ausspricht und nicht zurückzuckt, als hätte sie eine heiße Herdplatte berührt, wenn es darum geht, Religion und das dadurch entstandene Leid auch im Lichte der wissenschaftstheoretischen Inkonsistenz zu verurteilen.

[2] Vereinfacht: Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, die in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.

Das nächste große Problem der Skeptiker sind die Frauen. Die kommende Skepkon werde ich vor allem deswegen nicht besuchen, weil dort gerade mal zwei Frauen sprechen – nur eine davon steht allein auf der Bühne. Die üblichen Entschuldigungen lauten:
-         „Wenn sich nun mal nicht genügend Frauen bewerben…“
-         „Wir haben eben viele Männer mit interessanten Themen…“
-         „Das macht doch keinen Unterschied!“
Derlei Entschuldigungen kann man nicht gelten lassen. Vielleicht muß man das gute alte „Call for papers“-Verfahren grundlegend ändern. Ich habe auf der Skepkon 2013 gesprochen, wäre aber nie darauf gekommen, wenn man mich nicht – am Skeptikerstammtisch – darauf angesprochen hätte, ob ich mir das vorstellen könne. Vom CFP für die diesjährige Konferenz habe ich nicht einmal etwas mitbekommen, sonst hätte ich mich wohl beworben. Hier könnte man gezielt Frauen ansprechen und zur Teilnahme auffordern: es gibt wirklich genug Bloggerinnen, Autorinnen und auf andere Weise in Erscheinung tretende Frauen, die man hierfür hätte „rekrutieren“ können. Und die vielleicht von alleine nicht auf die Idee gekommen wären, dafür „qualifiziert“ zu sein.
Sicher ist es für viele Frauen kein Anreiz, in diese Männerdomäne hineinzuplatzen und sich vor den fast ausschließlich männlichen Sprechern (und mehrheitlich männlichen Zuschauern) beweisen zu müssen. Dieses Selbstbewusstsein nennt nicht jede Frau ihr eigen – zumal auch gerne mal, wie ich am eigenen Leib erfahren durfte, auf das Aussehen reduziert wird, was bei den Y-Chromosom-tragenden Kollegen eher selten geschieht.
James Randis „Amazing Meeting“ läuft schon lange erfolgreich mit einer 50%igen Sprecherinnenquote: durch die hohe Anzahl an Sprecherinnen fühlen sich viel mehr Frauen ermutigt, selbst aufzutreten und, viel wichtiger: sich mit solchen Themen überhaupt zu befassen. Sicher haben viele Frauen auch eine andere Art und Weise der Aufarbeitung und Präsentation solcher Themen, die für einen Verein, der in hoher Zahl weiße Männer mittleren Alters angehören, reichlich frischen Wind bereithalten könnte.
Ein weiteres Symptom dessen, was hier schief läuft, ist, daß sich im GWUP-Vorstand eine einzige (!) Frau befindet…


 Was ich auch sehr schwierig finde, ist die Tendenz, das Zweifeln zum Dogma zu erheben, die ich v.a. unter GWUP-Mitgliedern bemerkt habe. Bitte nicht falsch verstehen: einen gesunden Zweifel allem gegenüber, was nicht belegt, nicht belegbar und nicht widerlegbar ist, halte ich für richtig, ja, sogar für notwendig. Allerdings bin ich davon überzeugt, daß der Skeptizismus auch davon lebt, sich von Belegen überzeugen zu lassen. Ich gehe mit einer grundlegenden Offenheit an neues heran und versuche, Voreingenommenheit („Bias“) zu vermeiden. Würden unabhängige Untersuchungen zum Thema Homöopathie plötzlich mit einer Reihe plausibler Erklärungen, eindeutiger Daten bezgl. ihrer Wirksamkeit und Erläuterungen darüber aufwarten, weshalb die jahrelang betriebene Forschung keine brauchbaren Belege produzieren konnte, würde ich meinen Standpunkt zugunsten der Homöopathie nach eingehender Prüfung ändern. Ich fürchte, das könnten nicht viele von sich behaupten, ist doch die liebgewonnene Meinung ein fester Bestandteil der Identität geworden. Bestandteil meiner Identität jedoch ist das intellektuelle Instrumentarium des Skeptizismus, des Hinterfragens – nicht dessen Ergebnisse, denn diese können sich ändern.
Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist Meditation. Nachdem ich mich umfassend über (Achtsamkeits-)Meditation informiert habe, bin ich selbst begeisterte Praktizierende geworden. Auch Yoga mache ich sehr gerne. Doch dafür wurde ich in Skeptikerkreisen bisher ordentlich angefeindet. Warum? Weil es erstmal nach Esoterik klingt, klar. Da greift dann der Skeptiker-Reflex: anstatt nach Belegen zu fragen, derer es zahlreiche gibt, wird erstmal gegiftet. Meditation kann eine signifikante Umorganisation in der neuronalen Struktur des Gehirns bewirken – zahlreiche klinische Studien belegen einen positiven Effekt auf die psychische Gesundheit von Angst-, Zwangs- und Depressionspatienten. Zudem wirkt die Achtsamkeitsmeditation schlichtweg entspannend.
Genauso verhält es sich mit Yoga: dieses kann man gänzlich unesoterisch betreiben. Der Körper wird gefordert und die gezielte Atmung fördert die Entspannung (so aktiviert beispielsweise die verlängerte Ausatmung den Vagusnerv, was zu einer Senkung der Herzfrequenz führt). Dem Interessierten möchte ich an dieser Stelle Literatur von Ulrich Ott ans Herz legen, der beispielsweise im Buch „Meditation für Skeptiker“ sehr mühevoll Studie an Studie reiht und streng wissenschaftlich argumentiert. Hier jedoch grundsätzlich eine ablehnende Haltung obwalten zu lassen ist genau das, was Skeptizismus nicht sein soll. Gefragt ist eine aufmerksame Introspektion, ein konsequentes Hinterfragen der eigenen Denkweise und Motive, um nicht auf den inneren Dogmatiker hereinzufallen. Leider sind sich viele dessen nicht bewusst.

Zuletzt noch ein Wort zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Skeptiker mögen es gerne sachlich, faktenbezogen und nüchtern. Die Öffentlichkeit nicht. „Preaching to the choir“ ist zwar eine gemütliche Sache, bringt aber genau – der werte Leser ahnt es bereits – nichts. Sich vor eine Horde skeptischer Menschen zu stellen und zu erzählen, weshalb TCM doof ist, um ein paar nickende Köpfe und rauschenden Beifall zu ernten ist zwar bequem, aber von geringem kommunikativem Wert. Klar werde ich das auch weiterhin tun, um Menschen, die denken wie ich, Informationen zu liefern und Argumente an die Hand zu geben, aber ich halte dieses Konzept für schwierig und allenfalls einer „Mia san mia“-Mentalität zuträglich. Wenn man aber Dinge verändern will, muß man ordentliche Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Und das funktioniert nicht mit einer trockenen Aneinanderreihung überzeugender Daten – selbst wenn sie noch so laienverträglich formuliert. Da muß die Skeptikergemeinde noch vieles lernen und nicht jeden verurteilen, der auf Populärmedien ausweicht. (Aber dafür sindwir ja da…). Auch interaktive Veranstaltungen mit Esoterik-Aficionados und Gläubigen so wie Fence-sittern halte ich für sinnvoll – denn nur hier kann man Menschen noch davon überzeugen, daß ein von ihnen vertretener Standpunkt vielleicht doch eher Unsinn oder eine Idee, mit der sie seit einer Weile flirten, argumentativ nicht haltbar ist.


 Alles in allem müsste die Skeptikergemeinde einige Veränderungen durchlaufen, ehe ich einer solchen Organisation beitreten würde. Ein klares Bekenntnis gegen Religion und alles Nicht-Falsifizierbare; ein klares Bekenntnis zu Frauen und aufrichtige Anstrengungen, das weibliche Geschlecht aktiv in die Skeptikerreihen einzugliedern; kontinuierliche Selbstreflexion und eine Verjüngungskur inkl. Dialog-Orientiertheit und wirksamer Öffentlichkeitsarbeit. Das wäre doch schön. 

Meine zwei Pfennig zum Nahost-Konflikt

$
0
0
In einem Science-Paper von Professor Stuart Pimm (Duke University), das vor nicht allzu langer Zeit erschien, wird die Möglichkeit ausgeleuchtet, daß sich die Welt am Rande des nächsten großen Aussterbens befinden könnte. Eine weitere Forschungsarbeit setzt sich damit auseinander, daß die (westliche) Zivilisation mit großen Schritten auf den Niedergang zuschreite.
Wenn man sich momentan die Nachrichten betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, daß sie nicht nur schreitet, sondern rennt: einer meiner Top-Kandidaten für das Weltenende (neben Asteroiden, tödlichen Gamma-Strahlen und Supervulkanen) ist ja die menschliche Dummheit und die daraus resultierenden Konflikte. Da schießt man in Osteuropa „aus Versehen“ einPassagierflugzeug ab und egal wie es ausgeht – Eskalation ist vorprogrammiert. Die ISIS will einen islamistischen Staat errichten (dem im Laufe der Zeit übrigens auch die südeuropäischen Staaten angehören sollen) und massakriert dafür dutzende, hunderte, vielleicht sogar tausende Zivilisten und Soldaten.
Und ganz aktuell: die Lage im Nahen Osten eskaliert mal wieder. Ich bin keine Fachfrau und erhebe hier keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, aber dieser Konflikt tobt bereits seit meiner Kindheit, er war immer da – und er wird es vermutlich auch immer sein. Wieso halte ich es also ausgerechnet jetzt für nötig, etwas dazu abzusondern? Aus zwei Gründen: der erste ist die rasende Eskalation, mit welcher man momentan auf allen Kanälen konfrontiert wird; der zweite ist die uneingeschränkte Loyalität, die viele meiner Bekannten mit großer Emphase einer der beiden Parteien angedeihen lassen.
Die einen finden, daß man uneingeschränkt hinter Palästina stehen müsse, einfach aus Gründen des Glaubens (was ich angesichts des islamistischen Charakters der Hamasäußerst unappetitlich finde), die anderen halten aus rechtskonservativen Gründen zu Israel (einfach, weil „die Linken“ Israel doof finden). Hier Partei zu ergreifen und wie bei einem Fußballspiel die eigenen Favoriten anzufeuern, während man die anderen verunglimpft, erscheint mir recht unangebracht. Ich sage nicht, daß ich es besser mache mit meinem Standpunkt, aber es stößt mir sauer auf.
Hier ein paar „Grundannahmen“:

Seit dem Beginn der Eskalation sind, bis zum jetzigen Zeitpunkt, knapp 1400 Raketen auf Israel abgefeuert worden.
Seit dem Beginn der Eskalation wurden auf Seiten der Palästinenser mehr als 200 Menschen getötet.
Auf israelischer Seite wird bisher ein Todesopfer vermeldet.
Die Hamas hat wiederholt Angebote zur Waffenruhe ausgeschlagen.
Und heute hat Israel 70.000 Soldaten mobilisiert, um eine Bodenoffensive gegen die Hamas zu starten.
[Informationen gemäß des zum Zeitpunkt des Verfassens neuesten Stands - div. Quellen]

Zwei Dinge werden hier für mich deutlich:
1) Der Hamas ist es offenbar relativ egal, daß sie mit dem wiederholten Ausschlagen einer Waffenruhe - im Wissen, daß Israel für jede Rakete Vergeltung am palästinensischen Volk üben wird und mit dem Trotz eines sturen, pubertären Nichtsnutz – das eigene Volk, dessen Interessen sie zu vertreten glaubt, wissentlich und fahrlässig in Todesgefahr bringt.
2) Nicht einmal mit zwei zugedrückten Augen kann man hier von einem Notwehrexzess Israels sprechen. Die Hamas scheint größtenteils Bomben abzufeuern, die den Israelis bestenfalls ein müdes Lächeln abringen können (zum Glück!). Das Maß, in dem Israel zurückfeuert, ist völlig „out of proportion“ (zumal die Bevölkerung in Gaza sich nicht mal eben in Schutzbunker retten kann, da diese dort Mangelware sind).

Ich frage mich also: wenn ein zwei Meter großer, muskelbepackter Koloss von einem schmächtigen Winzling, der einen bebrillten und harmlosen Kumpel im Gepäck hat, mit Kieselsteinchen abgeworfen wird, die ihm meist nur ein leichtes Jucken an der getroffenen Stelle bescheren (ohne hier den verstorbenen Israeli damit gleichsetzen zu wollen, aber so viel Sensibilität wird mir ja hoffentlich seitens der Leserschaft zugetraut), sollte der Riesenmann dann wie wild um sich schlagen und sowohl dem Knilch als auch seinem eigentlich unbeteiligten Freund einen Fausthieb nach dem anderen versetzen, bis sich das Gesicht des letzteren in eine breiige Masse verwandelt hat? Und sollte der Aggressor einfach weiter seine Kieselsteinchen werfen, obwohl er sieht, wie sehr sein Kumpel darunter leidet? Die Antwort auf beide Fragen lautet Nein. Und es gibt auch einen Grund, weshalb man ein solches Szenario im wirklichen Leben und im Kleinformat eher selten vorfindet.

Aber im großen Maßstab findet man das wohl. Der Grund hierfür ist alt – sehr alt. Er ist die Wurzel der meisten Übel. „Us and them“-Mentalität können, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, in einem schadhaften Maße nur zwei Phänomene generieren, die gar nicht so weit auseinander liegen: Faschismus – und Religion. Und genau diese Religion macht Menschen immun gegen das Leid anderer, weil es Leid nicht mehr zur Grundlage ihrer Ethik, ihrer Moral erhebt. Religion hat die Juden zum gejagten Volk gemacht, und der Glaube, Gottes auserwähltes Volk zu sein, hat dazu beigetragen, daß 1948 der Staat Israel in einer mehrheitlich von Arabern bewohnten Region ausgerufen wurde (allerdings mit Billigung durch die UNO). Am Tag nach der Staatsgründung begann der erste Religionskrieg in Gaza zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Juden und Moslems – und seitdem hat er nicht mehr aufgehört. Jetzt treibt Religion die Hamas an, hunderte Israelis töten zu wollen, um ihrem göttlichen Plan gerecht zu werden.


Hier befeuern sich Religion und Patriotismus gegenseitig, Dogma wird hier großgeschrieben und der Hass von Generation zu Generation weitergereicht. Keine der beiden Seiten ist im Recht. Und wäre dieser Konflikt ohne Religion zustande gekommen? Und würde er ohne Religion andauern? Darüber lässt sich nur spekulieren – ich jedoch denke: nein. Religion war hier das Zündholz und ist jetzt das Öl. 


ALS und die IceBucketChallenge

$
0
0
Liebe Leser,

mir kam das kalte Kotzen, und man entschuldige meine Ausdrucksweise, aber es ist nunmal so, als ich jüngst auf einem Boulevardpresseerzeugnis eine halbnackte Schlagersängerin erblickte, neben der die Überschrift "Hier zeigt sie ihren Sixpack" prangte. Offenbar hatte sie sich der IceBucketChallenge gestellt und dafür nur einen BH angezogen, denn ein bißchen Publicity muß ja auch, ne? In den kommenden Tagen sah ich immer mehr Beiträge à la "Die heißesten IceBucketChallenges" oder "Person X zeigt ihren Body". Kein Wort zu ALS, nur publikumswirksames Nassmachen.

Das Ganze nahm auch in meinem Facebook-Kanal überhand - überall Videos von Leuten, die sich - ohne den ursprünglich angedachten Zweck dieser Aktion auch nur zu erwähnen - ihrem privaten Wet-shirt-contest hingaben. Das hat mich arg genervt: ernsthaft? Ihr kippt Euch lieber Eiswasser über den Kopf als zu spenden?!

Ich finde das immernoch bescheuert, aber die Aktion stelle ich nicht mehr als Ganzes in Frage, seitdem ich gelesen habe, dass das Spendenaufkommen in den vergangenen Wochen um ein Vielfaches gestiegen ist. Das wird in zwei Monaten ganz anders aussehen, dann haben aber immernoch zehntausende Menschen ALS. Und damit der Zuschauer auch mal mehr darüber lernt als beim gängigen "hihihi, uuuuh, kalt, ach übrigens: ALS ist doof!" haben wir uns um ein etwas ausführlicheres Video bemüht. Mein tapferer Mitstreiter ist hier Cornelius Courts von BlooD'N'Acid.


Hier die Links zu den Schlagworten als Erläuterung:
- Amyotrophe Lateralsklerose
- Motoneuron
- Muskelatrophie
- Riluzol
- NMDA-Rezeptor
- Postsynaptische Membran
- Glutamat
- D-Serin
- Aktionspotenzial
- Natriumkanalblocker
- Synapse
- Orphan Disease

Ich empfehle außerdem, sich nicht nur die lustigen Videos von jungen gesunden Menschen anzusehen. Informiert Euch auf den Homepages von Selbsthilfegruppen oder Betroffenen. Tut etwas. Wenn es möglich ist, tausende davon zu überzeugen, einen Kartoffelsalat zu finanzieren, dann kann man auch etwas im großen und problematischen Bereich der Orphan Drugs und Orphan Diseases tun.

Zum Schluss ein Video, das mir einen schweren Kloß im Hals beschert hat.


Über den Einfluss von Esoterik und Religion auf die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen

$
0
0
(Ja, ich weiß, griffiger Titel.)

Robin Williams ist tot. Am 11. August 2014 hat sich der depressive und alkoholkranke Schauspieler das Leben genommen und die Welt war schockiert. Mir hat er damals als „Mrs Doubtfire“ viele heitere Stunden beschert, und auch Machwerke wie „Jumanji“, „Flubber“, „The Big White“ und „Patch Adams“ begleiteten (und erheiterten) mich beim Erwachsenwerden. Ich werde wirklich traurig, wenn ich mir sein melancholisches Lachen ansehe – und ich fühle mit, mit einem Depressiven, in einer Welt, in der man als psychisch Kranker stigmatisiert wird. In der man ein Tabu bricht, wenn man darüber spricht und allenfalls gesenkte Blicke erntet. Der „Depression ist doof“-Hype nach seinem Suizid war erwartungsgemäß nach drei Tagen vorbei, doch gerade deswegen will ich mich heute diesem Thema ausführlich widmen.


Die Kernthese, die diesbezüglich normalerweise vertreten wird, ist die, daß in einer Leistungsgesellschaft Ausfälle durch psychische Erkrankungen nicht tolerabel sind. Jeder muß funktionieren, seinen Teil zur intakten Volkswirtschaft beitragen und darf nicht negativ auffallen. Dem stimme ich auch in großen Teilen zu, doch ich sehe nicht, wieso die psychische Erkrankung hier eine Sonderrolle einnehmen sollte. Jemand, der Krebs oder Multiple Sklerose hat, fällt genauso aus wie ein psychisch Kranker, erregt aber nicht dieselbe Art von Aufsehen. Psychisch Erkrankte sind stigmatisiert und waren es über die Jahrhunderte hinweg. Die Rolle, die Metaphysik meiner Meinung nach dabei spielt, erlaube ich mir im Folgenden zu beleuchten.

Beginnen wir ganz plump: Sigmund Freud hielt Religion für eine kollektive Zwangsneurose, für eine Hinwendung zu imaginären und aufgeplusterten Vaterfiguren, um die eigene, als kindlich empfundene Ohnmacht zu überwinden.
Wenn nun der Heranwachsende merkt, daß es ihm bestimmt ist, immer ein Kind zu bleiben, daß er des Schutzes gegen fremde Übermächte nie entbehren kann, verleiht er diesen die Züge der Vatergestalt, er schafft sich die Götter, vor denen er sich fürchtet, die er zu gewinnen sucht und denen er doch seinen Schutz überträgt.“ – S. Freud
Religion ist für viele Atheisten, wie auch für mich, zumindest eine kollektive Märchenstunde, das Sich-in-Sicherheit-Wiegen der Menschen, die mit der Ungerechtigkeit der Welt, dem Imperativ des Sterbens, den Verlusten und Enttäuschungen des Lebens und der Liebe nicht zurechtkommen. Sie ist ein Fangnetz und erstellt eine psychische Grundkonfiguration, die den Betroffenen auch für wahnhafte Vorstellungen empfänglich macht. Allzu bunte „Gotteserfahrungen“ sind in den Bereich des Wahns einzuordnen (man beachte hierzu die Kategorisierung laut ICD-10).

Religion kann also psychische Erkrankungen direkt (mit-)auslösen. Doch wie sieht es indirekt aus? Die Hälfte meiner Familie stammt „vom Land“, aus einem kleinen Dorf in Bayern, wo es erzkatholisch zuging. Die Schulausflüge gingen gern ins Heimatmuseum, wo die Foltermethoden und Todesarten, welche die Heiligen erlitten, graphisch und plastisch dargestellt wurden. Kinder wurden darauf getrimmt, dass viele ihrer Taten und einige ihrer Gedanken (!) sündig und unrein seien und zur Beichte genötigt. Ein freudloses und gottesfürchtiges Leben ohne Sex oder Eskapaden wurde als Ideal angesehen; der Todeskult des Christentums tat sein Übriges. Kinder wurden sexuell und psychisch missbraucht und waren in den Fängen von Tradition und Konvention. Generationen depressiver Menschen mit leidendem Selbstbild sind auf diese Weise großgezogen worden, die sich im Angesicht Gottes als schmutziges Nichts vorkommen. Für Frauen galt das natürlich auf besondere Weise, waren sie ja nur Gebärstationen und das unwürdige Rippenderivat des Mannes. Homosexuelle mussten ihre Neigungen geheim halten, sonst wären sie Opfer von Diskriminierung und Hass geworden. Dies ist teilweise in Deutschland und besonders im ultrakonservativen Bible Belt der USA auch noch heute der Fall: nachdem ihre Psyche sich an der Grenze zur Zerrüttung befand und ihr Körper bereits Alarm schlug, outete sich die christlich-amerikanische Popsängerin Vicky Beeching vor Kurzem als lesbisch. Homosexuelle Teenager werden in den USA in religiösen Camps mit Exorzismen und Elektroschocktherapie „behandelt“, um ihnen die Homosexualität auszutreiben. Ich nehme nicht an, dass man derartiges psychisch unbeschadet übersteht.

Wie geht und ging Religion denn nun mit psychisch Kranken um? Ich beziehe mich hier vor allem auf den christlichen Kulturkreis, da ich in anderen nicht besonders bewandert bin. Im frühen Mittelalter führte man den geistigen Zustand psychisch Erkrankter natürlich auf die Besessenheit von Dämonen oder gar Luzifer persönlich zurück. In dieser Zeit war vornehmlich die Behandlung per Exorzismusüblich: ein psychisch aufreibendes, brutales Ritual, das viele Opfer das Leben kostete. Doch so mittelalterlich das nun auch anmuten mag: diese Behandlung für „Geisteskranke“ ist bis heute noch üblich in manchen Regionen Deutschlands. Psychisch Erkrankte für „vom Teufel besessen“ zu halten trägt natürlich ein wenig zu deren Stigmatisierung bei.
Gern wurde die Erkrankung auch als Strafe Gottes (oder milder: als dessen Prüfung) angesehen. Im Spätmittelalter und zu Zeiten der Inquisition stand damit eine andere „Behandlungsmethode“ auf dem Plan: der Tod auf dem Scheiterhaufen. Wer von Gott bestraft worden oder von Dämonen eingenommen war, mußte bestraft und öffentlich getötet werden. Man stelle sich die Lage der Erkrankten vor: glaubten sie selbst, daß Gott sie bestrafen wollte? Bereiteten sie sich auf die Ewigkeit in der Hölle vor? Wie muß es ebenfalls erkrankten Zuschauern gegangen sein?
Heutzutage sieht die Behandlung dieser Krankheiten durch religiöse Personen oder Einrichtungen etwas weniger martialisch, doch ebenso fragwürdig aus – die beste Therapie für Angst- oder Zwangsstörungen, für Depressionen und Psychosen sei demnach der Glaube an Gott selbst. Wer nur stark genug bete und an ihn glaube, wer durch Gott stark genug sei, der finde auch von allein den Weg in die Gesundheit. Nicht nur, daß erkrankte Menschen damit als schwach und zu wenig gottesfürchtig abgestempelt werden (Stigma), ihnen wird auch die korrekte medizinische Behandlung versagt.

Aber macht Religion nicht gesund? Ist sie nicht gut für die Psyche? Es ist schwer, das rundheraus zu beantworten. Ich habe selbst ambivalente Erfahrungen mit Religion gemacht: ich bin katholisch aufgewachsen und habe ein ewiges Leben für selbstverständlich gehalten, darauf gehofft, all meine Lieben wiederzusehen und mich auf Gott als Schaffenden der Gerechtigkeit verlassen. Als ich schließlichnicht mehr glauben konnte, riss mir das den Boden unter den Füßen weg. Doch wie gut für die Psyche ist das Versprechen vom ewigen Leben? Ermuntert es nicht dazu, weniger sorgfältig mit dem umzugehen, was wir haben? Seitdem ich mich mitmeiner Endlichkeit auseinandergesetzt habe, hat für mich alles an Wert gewonnen. Die Stunden des Glücks, der Liebe, der Empfindung, ja sogar die der Trauer und Melancholie.
Unter der „Aufsicht Gottes“ war ich nie frei, habe ich mich stets beobachtet und oft sündig gefühlt, manchmal schlecht und ketzerisch. Dieses Gefühl, ein ganzes Leben lang, ist ein hoher Preis für ein Auffangnetz, das am Ende womöglich gar nicht existiert. Wie es unterdrückten Frauen, Homosexuellen, psychisch Erkrankten und anderen von der Kirchendoktrin Benachteiligten unter den Augen des restriktiven, kontrollwütigen und allmächtigen Gottes gehen muß, wurde weiter oben schon ausgeführt.

Wie handhabt es nun das Feld der Esoterik? Nun, um es mit Fontane zu sagen: dieses Feld ist ein weites und es ist unmöglich, es in seiner Gänze zu erfassen. Der Tenor aber scheint in vielen Bereichen ähnlich zu sein.
Ich beginne mit meinem Steckenpferd: der Homöopathie. Als Pharmaziestudentin habe ich ein besonderes Interesse an guter, effektiver und korrekter Medikation, wie ich sie z. B. in Psychopharmaka sehe. Hahnemann-Jünger vertreten da offenbar eine andere Ansicht – da gibt es zahlreiche Wässerchen gegen Depression (Pikrinsäure, Kaliumphosphat, Natriumcarbonat oder reiner Schwefel, natürlich in „Potenzen“ jenseits der Nachweisbarkeitsgrenze), Angststörungen (Silbernitrat, reines Silber, Arsenik, Iod..), Schizophrenie (Behandlungsbericht) oder sogar bei Kindesmisshandlung (Klick). Das Problem hier ist ähnlich wie die oben genannten: dem Patienten wird eine medizinisch angemessene und wirksame Therapie verweigert; er bleibt de facto untherapiert und wird dafür viel Geld los. Gerade bei wahnhaften oder suizidalen Patienten ist das skandalös. Natürlich bietet so gut wie jede „alternative Therapierichtung“ Hilfe bei psychischen Erkrankungen an, die in den allermeisten Fällen nicht durch Evidenz gesichert ist und den Patienten Zeit, Geld und Ressourcen kostet, die anders besser verwertet wären.

Die andere Seite ist zum Beispiel im Buch „The Secret“ von Rhonda Byrne vertreten. Dieses sehr erfolgreiche Buch propagiert ein Modell der Wirklichkeit, das bei Esoterikern sehr beliebt ist: man muß Dinge nur stark genug wollen, dann geschehen sie auch. Das Universum ist auf unsere Wünsche und unseren Willen angewiesen – wer also depressiv wird oder Wahnvorstellungen bekommt, ist selbst schuld, da er nicht stark genug war, da er nicht gesund sein wollte. Diese Person hat also vom Universum nur das bekommen, was sie verdient. Dieser Zug ist den oben erwähnten Problemen mit Religion sehr ähnlich und das ist kein Zufall: für viele ist Esoterik auch nur eine Ersatzreligion unter anderem Namen und anderen Grundvoraussetzungen. Ob nun die Liebesengel mich bestrafen oder ich nicht für genug Orgonstrahlung in meinem Trinkwasser gesorgt habe – die negative Botschaft für den Erkrankten bleibt dieselbe und Heilung kann er ohnehin nur erreichen, wenn er dem Diagnostizierenden größere Batzen Zasters aushändigt.

Es gibt jedoch noch ein größeres Problem, das ich im Zusammenhang mit metaphysischen Konzepten bei psychischen Erkrankungen sehe – genau diese Metaphysik generiert, ganz für sich genommen, das für die Betroffenen so bittere und giftige Stigma. Ich will erklären, wie und damit auch die Frage beantworten, die ich zur „Leistungsgesellschaft“ gestellt habe. Für den Religiösen oder den Esoteriker ist der „Geist“ etwas Ätherisches, etwas Übernatürliches, über die Materie erhaben, unser „Spirit“, unsere Verbindung zu Gott oder spirituellen bzw. göttlichen Kräften. Für „Materialisten“ wie mich (ich würde es lieber „Scientisten“ nennen) ist das nicht so (wobei hier die Frage ist, ob die scientistische Ansicht meinen Atheismus oder die atheistische Einsicht meinen Scientismus bedingt hat). Der „Geist“ und jeder Gedanke, jedes Gefühl, das sich aus ihm erhebt, sind für mich das Produkt von neuronalen Verschaltungen und Impulsen. Für mich ist Liebe ein hormonell-neuronales Feuerwerk und eine Erinnerung ruht in einer bestimmten Synapse. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß es anders wäre (Anm.: sich zu wünschen, daß es anders wäre oder nicht zu akzeptieren, daß alles Gefühlte und Gedachte nur Resultat äußerst ausgeklügelter neuronaler Bauwerke zur Weiterleitung elektrischer Impulse ist, zählt nicht). Geist ist Körper und Körper ist Geist: eine Darmerkrankung unterscheidet sich für mich prinzipiell nicht von einer Zwangsstörung. Die Psyche ist ein Konstrukt, das uns übernatürlich erscheint, und die gegenseitige Beeinflussung von „körperlichen Erkrankungen“ und psychischem Zustand scheint für viele (auch Ärzte) immer noch schwer zu akzeptieren. Diese fehlende „Ganzheitlichkeit“ ist der Grund, weshalb viele den Weg weg vom Arzt und hin zum alternativen Heiler einschlagen. Hörte man auf, die Feststellung, das der Geist nichts weiter als ein Produkt ist, das sich aus der zellulären und molekularen Konfiguration unseres Gehirns ergibt (daß wir die Vorstellung zunächst gruselig finden, hängt natürlich auch mit unserer religiösen Prägung und deren Vorstellung des dadurch erhabenen Geistes zusammen), hätten wir endlich einen wertvollen Schlüssel zum richtigen Umgang mit Patienten, ob diese nun „körperliche“, somatische oder psychische Leiden haben.
Doch zurück zum religiösen Problem: weil die Psyche, die „Seele“, der „Geist“ uns als übernatürlich und Tor zu Gott oder der Spiritualität, kurz: als vom Körper verschieden beigebracht wird, neigen wir zur Stigmatisierung der Menschen, die von solchen Leiden betroffen sind. Die Psyche ist „etwas anderes“ als der restliche Körper, sie ist die Kommandozentrale des Menschen, der Filter, durch den er alles wahrnimmt. Wenn sie gestört ist – oder: wenn die Brücke zu Gott, der Empfänger der Spiritualität, das, was uns über das Tier erhebt gestört und beeinträchtigt ist, hat das für den Normalbürger ein „Gschmäckle“. Die Psyche als metaphysisches Konstrukt ist das Problem, das uns nicht erkennen lässt, dass eine Wahnvorstellung ein ebenso funktionelles Problem ist wie ein Herzinfarkt. Und das hat nur sehr bedingt mit der „Leistungsgesellschaft“ zu tun…

Die Stigmatisierung würde jäh abklingen, wenn das Verständnis von psychischen Krankheiten als ganz normale körperliche Erkrankungen, nur in einem sich anders auswirkenden Bereich, etabliert würde. Bei psychichen Erkrankungen lässt sich ebenso intervenieren wie bei „körperlichen“ – durch Operationen (nein, ich meine keine Trepanation, wie sie im Spätmittelalter auch gern von der Kirche bei psychisch Kranken durchgeführt wurde), durch medikamentöse Therapie (ein Stoffwechselweg ist gestört – ein Medikament sorgt für dessen Substitution oder Unterstützung), durch somatische Therapie (denn auch Gesprächstherapie oder Meditation haben messbare Auswirkungen auf die neuronale Konfiguration). Eine Darmerkrankung kann ich operieren, ich kann entzündungshemmende Medikamente geben, ich kann den Stress reduzieren, um die Erkrankung zu bremsen. Bei einer Depression kann ich ebenso neurochirurgisch vorgehen, ich kann Medikamente geben, um den Serotoninstoffwechsel zu normalisieren oder ich kann eine Gesprächstherapie anbieten. Es ist das Gleiche, nur mit anderen Auswirkungen. Es gibt viele gute Medikamente, die psychisch Erkrankten so helfen könnten. Leider kennen sich viele Ärzte anderer Fachrichtung mit diesen Medikamenten und ihren Interaktionen nicht besonders gut aus, und das bei 5% Antidepressiva-Patienten in Deutschland (und über 10% in den USA). Das ist traurig und spricht einmal mehr für die Tabuisierung psychischer Erkrankungen. Dabei könnte ein Umgang auf Augenhöhe so viel bewirken. Was nicht hilft, sind Verweise auf Gott, die Engel oder der dezente Hinweis, sich doch mal zusammenzureißen. Würden wir das doch endlich erkennen und das Leid vieler psychisch Erkrankter mildern – und ihre gesellschaftliche Akzeptanz steigern. Ganz ohne Metaphysik, dafür mit ganz viel Mitgefühl.

Wie geht es weiter mit Cloudpharming?

$
0
0
Liebe Leserinnen und Leser,

vermutlich ist es Euch nicht entgangen, daß ich eher eine "Quartalsbloggerin" bin. Man liest dann wochenlang gar nichts von mir, was vielerlei Gründe hat. Da wäre zum einen das sehr zeitintensive Studium, zum anderen mein Gesundheitszustand, der in den vergangenen zwei Jahren einigen Schwankungen unterlag. Ich habe ein paar Artikel "auf Halde", aber oft kommt neues und bescheuertes dazwischen und muß zunächst einmal mit einem Blogeintrag bedacht werden.
Nun denn, jetzt will ich aber einen Ausblick liefern, was meine publizistischen Aktivitäten angeht.

Blogging:

Bei Cloudpharming werden demnächst Artikel zu folgenden Themen erscheinen:
- Tierversuche
- Big Pharma
- Pharmaziestudium
Gerade erschienen sind meine Artikel zur ALS IceBucketChallenge und zum Einfluss metaphysischer Konzepte auf die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen.

Außerdem betreibe ich zusammen mit Cornelius Courts von blooD'N'Acid den skeptischen Spaßpodcast"(L)Esostunde". Für diesen haben wir gerade reichlich Input bekommen, es wird also fröhlich weitergehen, u.a. mit Büchern von Rupert Sheldrake und den Zeugen Jehovas.

Auftritte:

Als nächstes steht der #Mediumwerden-Workshop an, wo ich als Referentin auftreten werde. Im hier verlinkten Flyer findet Ihr alles, was Ihr dazu wissen müßt. Meine Mitreferenten sind Cornelius Courts, Alexa und Alexander Waschkau vom Hoaxilla-Podcast, Sven Rudloff von Viva Britannia, Julia Groß und natürlich der Barth Vader, a.k.a. Sebastian Bartoschek. Ich werde dabei über Recherche und meine Art der Informationsaufbereitung beim Blogging berichten.

Außerdem trete ich am 17.11.2014 in Bochum bei einem ScienceSlam auf. Dort werde ich über TCM referieren. Außerdem tritt Cornelius Courts da auf. Kommt also alle! ;-)

Zuletzt eine Ankündigung für das kommende Jahr: im kommenden Juni halte ich einen TCM-Vortrag in Nürnberg - die genauen Daten (und einen Link) gebe ich hier bekannt, wenn alles "in trockenen Tüchern" ist. Das Ganze findet im Rahmen der vom "turmdersinne" veranstalteten Vortragsreihe statt.
Da werde ich dann allerdings bereits als Claudia Courts auftreten. :-)

Vielleicht sehe ich ja den ein oder anderen Leser dort..?

Hier noch ein zusammenhangloses Wikingerbild von mir.

Viewing all 56 articles
Browse latest View live